Denkt man an Paolo Conte, hat man sofort die unverwechselbare, heiser dahingenuschelte Stimme im Ohr, die seinen Songs die spezielle Note gibt. Nun stelle man sich aber einmal dies vor: Ein Paolo-Conte-Album ohne Paolo Conte – zumindest ohne Paolo Conte, den Sänger. “Amazing Game”, sein neustes Album, ist nämlich sein bislang ungewöhnlichstes: Es besteht aus unveröffentlichten Instrumentalaufnahmen, die er von den 90er-Jahren bis heute für ganz unterschiedliche Anlässe aufnahm. Die wunderbar stimmungsvollen Aufnahmen beweisen: Auch ohne seinen Gesang kann Paolo Conte durchaus präsent sein. Nicht nur als Pianist, sondern auch durch seine ungewöhnlichen, charismatischen, sanft swingenden Melodien, die einfach “100% Paolo Conte” sind.
Erst im Juni dieses Jahres erschien die CD-Box “Live Collection”, die sämtlichen Live-Alben enthält, die Paolo Conte zwischen 1988 und 2005 aufnahm. Über das nun bereits so kurz darauf erscheinende Instrumentalalbum verrät Conte, “Diese Aufnahmen, die mir über alle Maße am Herzen liegen, waren zum Teil Soundtracks für Theaterproduktionen, zum Teil ganz privat zu reinen Studien- oder Experimentierzwecken entstanden. Die Bänder hatte ich sorgfältig in verschiedensten Schubladen verstaut. In einigen Stücken – wie ‘F.F.F.F. (For Four Free Friends)’ und ‘Fuga nell’Amazzonia in re minore (Escape in Amazonia in D Minor)’ – jamme ich mit dem ‘harten Kern’ meiner Musiker in freien Sessions (was aber nicht heißen soll, dass es sich dabei um Free-Jazz handelt). Die Tracks sind stilistisch sehr unterschiedlich und wurden immer mit großer Überzeugung und Energie aufgeführt.” Mitunter wecken Contes Kompositionen Erinnerungen an Werke vom Landsmann Ennio Morricone, die melancholischen Instrumentalwerke Ryuichi Sakamotos oder die Klassiker Astor Piazzollas.
Während einen die Songs stilistisch oft in die von Conte seit jeher favorisierte Epoche der 1920er und 1930er Jahre führen, verleihen ihnen die Improvisationen der Bandmitglieder gleichzeitig eine sehr viel zeitgenössischere Dimension. Dabei profitiert Conte davon, dass er seine Begleitband seit Jahrzehnten mit einigen der besten Jazzmusiker Italiens besetzt. Am Klavier sitzt bei den meisten Aufnahmen natürlich Paolo Conte höchstpersönlich. Manchmal aber überlässt er das Feld auch ganz seinen Musikern, wie etwa in der melancholischen Ballade “Sharon”, die Altsaxophonist Claudio Chiara im Duo mit Massimo Pitzianti am Klavier einspielte. Abgeschlossen wird das Album durch eine Reihe von Stücken, die Conte für die beiden Theaterproduktionen “Corto Maltese” (basierend auf den gleichnamigen italienischen Comic-Klassikern von Hugo Pratt) und “Il Ballo Dei Manichini” (“Ball der Puppen” des polnischen Futuristen Bruno Jasieński) schrieb.
Eine Prise Jazz, eine Prise Sentimentalität, eine Prise Nostalgie und viel italienisches Temperament: “Amazing Game” ist der perfekte Soundtrack für kommende blaue Stunden mit rotem (italienischen) Wein in Griffnähe. Multitalent Conte steuerte für das Booklet übrigens 23 farbige Grafiken aus eigener Feder bei, für jeden Musiktitel eine.