Wer war Klaus Kinski? Exzentrischer Schauspieler, schauspielender Exzentriker, ein Wahrheitsverkünder oder ein Wahrheitsverdreher? „Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust“, so sagt es Heinrich Faust. In Kinskis Brust vereinten sich wohl noch mehr. Eine eindeutige Antwort gibt es hier nicht. Vielleicht ein leises Herantasten an einen Mann, der die Dramatik liebte, besonders, wenn er sie selbst erzeugte. Geboren ist der Film- und Theaterschauspieler 1926 in Zappot, das im heutigen Polen liegt. In der Schule will er vor allem durch Abwesenheit und Müdigkeit aufgefallen sein. Dafür rühmte er sich seiner Merkfähigkeit. Über sich selbst sagte er, dass er das neue Testament schon mit sechs Jahren rezitieren konnte. Ob dies die Inspirationsquelle für seine spätere Rolle als Jesus Christus war? 1971 interpretierte er das neue Testament auf kinskische Art. Er tat dies zweimal, in Berlin und Düsseldorf. Während der Abend in Nordrhein-Westfalen ruhig und gleichmäßig verlief, schaffte er in Berlin ein Denkmal des Tumults. Publikum gegen Kinski, hieß es in jener Nacht. Kinski brach aus und wütete. Ein Abend, mit der Kamera festgehalten und später von der Deutschen Grammophon Literatur als DVD Jesus Christus Erlöser veröffentlicht. Mit Kinski zu arbeiten war weder einfach, noch harmonisch. Das bekam auch Regisseur Werner Herzog zu spüren. Bei Dreharbeiten zu Fitzcarraldo 1982 in Peru begann der Schauspieler immer wieder zu toben und rückte Nichtigkeiten in das Zentrum seiner Wut. So schlimm soll es gewesen sein, dass die Ureinwohner nach den Dreharbeiten anboten, Kinski zu töten – erzählte der Regisseur.
Über 120 Filme hat Klaus Kinski gedreht. Und das nicht nur der Kunst wegen. In Interviews gab er offen zu, dass sein erster Blick der Gage galt. Ob er ehrlich war oder schlichtweg provozieren wollte, Kinski wählte seine Kämpfe immer selbst aus. Er wählte selbst und er wählte häufig – ob er nun Regisseure der Unfähigkeit bezichtigte, sich mit seinem Publikum anlegte oder Journalisten an ihre Grenzen brachte. KINSKI TALKS 1 zeigt einen Kinski, der eben nur seinen eigenen Regeln folgt: Er spricht, weigert sich zu sprechen, führt vor und führt auf. Die DVD zeigt zwei Höhepunkte deutscher Fernsehunterhaltung: Das Interview mit Reinhard Münchenhagen in der WDR-Rederunde „Je später der Abend“ und ein Interview geführt von der RTL-Moderatorin Helga Guitton, deren Versuch mit Kinski über seinen Film Kommando Leopard zu sprechen, restlos scheitert. Münchenhagen haftet bis heute noch diese knappe halbe Stunde Fernsehgeschichte am Moderatorenkragen.
Wer immer Klaus Kinski wirklich kennengelernt hat, die beiden Journalisten sicherlich nicht. Vielmehr wandeln sie sich zu Statisten in einem Stück, das Kinski selbst geschrieben hat und in dem er auch Regie führt. Im Bonusteil der DVD lässt Münchenhagen seine Eindrücke des Abends noch einmal Revue passieren und auch Hans Leutenegger, Kinskis Schauspielkollege aus Kommando Leopard, meldet sich zu Wort. Kinskis Schauspiel endete nicht, wenn die letzte Klappe eines Filmes fiel. Sie ging weiter, sobald ihn ein Scheinwerferlicht traf. Vielleicht reichte manchmal auch schon Tageslicht. Er stellte die Menschen vor die Wahl: ich oder die anderen. Sein schauspielerisches Können ließ die Würfel oft zu seinen Gunsten fallen. Seine unverkennbare Stimme bohrte sich in die Ohren derer, die ihn bewunderten und derer, die ihn verschmähten. Diese Stimme hatte auch keine Angst vor den Texten der Großen, der Weltliteratur. So sprach er Shakespeares Hamlet, Büchners Lenz oder Baudelaires Albatros auf den Bühnen der Republik. Er bediente sich als Rezitator der Worte anderer und doch klangen sie sehr nach ihm selbst. Es gab also sicherlich mehrere Seelen, die sich in Kinskis Brust, seinem Herzen, trafen. 1991 ist er dann in Los Angeles gestorben: An Herzversagen.