Zu sagen, Imelda May sei nun musikalisch endlich erwachsen geworden, käme der Unterstellung gleich, ihre bisherigen Alben wären pubertär gewesen. Und das wäre nun wirklich eine Behauptung, die man so nicht stehen lassen könnte. Tatsache ist aber: sie hat auf ihrem neuen Album “Life. Love. Flesh. Blood” die Fesseln des Rockabilly abgestreift und sich von ihrer stets etwas punkigen Attitüde verabschiedet. Vom Start weg wird deutlich, dass die Sängerin, die längst einer der erfolgreichsten musikalischen Exportartikel Irlands ist, einen neuen Groove gefunden hat. Denn “Life. Love. Flesh. Blood” ist ihr bisher persönlichstes Album, eine Art intime Autobiographie. Produziert wurde das neue Werk vom legendären T Bone Burnett, der sein goldenes Händchen schon bei Alben von u.a. Elvis Costello, Diana Krall, Willie Nelson und Gregg Allman im Spiel hatte. “Als ich ihre Musik das erste Mal hörte, war sie eine punkige irische Rockabilly-Sängerin mit einer großartigen Band”, erinnert sich Burnett. “Als ich ihr ein paar Jahre später wieder über den Weg lief, hatte sie Veränderungen in ihrem Leben durchgemacht, über die sie mit einer unbändigen Intensität schrieb und auf offenherzigste Weise sang.”
Aufgenommen wurde “Life. Love. Flesh. Blood” innerhalb von sieben Tagen in Los Angeles mit Gästen wie dem Gitarren-Helden Jeff Beck (zu hören in “Black Tears”) und der britischen Piano-Legende Jools Holland (in “When It’s My Time”) sowie einer Band, die im Kern aus dem Gitarristen Marc Ribot, Schlagzeuger Jay Bellerose und Bassist Zach Dawes bestand. Mit einem Teil dieses Teams inklusive Produzent Burnett nahmen übrigens schon Robert Plant und Alison Krauss 2007 ihr phänomenales gemeinsames Album “Raising Sand” auf.
Als Imelda anfing, Songs für das neue Album zu schreiben, hatte sie “überhaupt noch keine feste Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen würde. Mein Plan war, keinen Plan zu haben, weil das Freiheit ist. Und es war tatsächlich befreiend.” Folglich lässt sich der neue Sound auch nicht in eine klar umrissene Schublade stecken: er umfasst Elemente von Blues, Rock, Soul, Gospel und Jazz. Songs steuerten zum Repertoire außerdem Angelo Petragalia (Kings Of Leon) und Paul Moak (The Blind Boys of Alabama, Martha Wainwright) bei. Dass Imelda auf “Life. Love. Flesh. Blood” reifer klingt, bedeutet keineswegs, dass sie nun weniger kraftvoll und leidenschaftlich als sonst zur Sache gegangen ist. Die Sängerin selbst beschreibt das neue Album als ihr bislang “ehrlichstes”. “Ich habe den Rockabilly-Stil der 50er immer geliebt, aber irgendwann gelangte ich an einen Punkt, an dem es mir fast so vorkam, als ob ich mich verkleidete”, verrät Imelda. “Ich schlüpfte für Auftritte in eine Rolle. Und das wollte ich einfach nicht mehr tun.” Das neue Album, sagt sie, sei für sie eine Art Therapie gewesen. “Es ist wie ein Tagebuch, das jeder lesen kann.”