Aus der historischen Distanz scheint vieles sich zwangsläufig entwickelt zu haben. Gerade eine Persönlichkeit wie Friedrich Schiller (1759–1805), als aufgeklärter Stürmer und Dränger und idealistischer Klassiker, wirkt da gerade in einem Jubiläumsjahr wie ein Monument, fest auf dem Podest literarischer Verehrung verankert. Tatsächlich aber war er ein Zweifler, der mit sich und seiner Welt gerungen hat, um aus der sich scheinbar so glänzend entwickelnden individuellen Freiheit die Grundlagen eines humanen Handelns und Denkens abzuleiten. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb ein Drama wie „Die Räuber“ bis heute Regisseure und Schauspieler aus aller Welt zu Interpretationen herausfordert. Zusammen mit „Kabale und Liebe“ und „Wallensteins Tod“ wird dieses provokante Bühnenstück jetzt als Neuauflage in der Hörbuchreihe „Wortwahl“ veröffentlicht.
Der Nachhall war zu seiner Zeit selbst für den Autor überraschend. Im Jahr 1781 hatte er auf eigene Kosten sein Drama „Die Räuber“ drucken lassen und schon kurz darauf erfreute es sich in Studenten- und Intellektuellenkreisen zunehmender Popularität. Es war eine revolutionsschwangere Ära und die drastische Geschichte der Familie von Moor inspirierte zahlreiche Zeitgenossen zu Kommentaren. Im Januar 1782 wurde das Stück in Mannheim uraufgeführt, sorgte für tumultartige Szenen und veranlasste den Autor bereits zu Ostern desselben Jahres, eine erklärende Rezension dazu zu veröffentlichen. Das konnte aber nicht verhindern, dass der gereizte Herzog Karl Eugen dem Querdenker, der aus Stuttgart verbotenerweise nach Mannheim zur Uraufführung des Schauspiels gereist war, das Dichten verbot und ihm eine lange Kerkerstrafe bei Zuwiderhandlung androhte. Schiller zog die Konsequenz, verließ die Stadt und zog durch die Lande, bis er 1789 sich schließlich in Jena niederließ und dort eine Professur annahm.
Die „Räuber“ blieben aber eines der Schlüsselstücke von Schillers frühem Schaffen. Gerade die Figur des auf seine Freiheit und Selbstbestimmung bestehenden Franz von Moor, der mit Intrigen gegen den bevorzugten älteren Bruder Karl opponiert und damit die ganze Familie ins Verderben reißt, formulierte idealtypisch die Zerrissenheit des aus der Naivität heraustretenden Menschen, der nach einer neuen Bestimmung sucht. Dieser philosophische, mit kerniger Sprache formulierte Zwiespalt wiederum reizte immer wieder große Theaterleute, das Stück effektvoll zu inszenieren. Im Jahr 1969 gelang Hans Lietzau eine besonders gelobte Umsetzung der „Räuber“ für das Münchner Residenztheater, die in den folgenden Jahren auf Tourneen auch in Moskau und St. Petersburg zu Gast war. Franz von Moor wurde damals von Martin Benrath gespielt, sein Bruder Karl von Helmut Griem. Gisela Stein übernahm den Part der Amalia und den alten von Moor mimte Peter Lühr. Die Deutsche Grammophon zeichnete damals diese Inszenierung in Starbesetzung auf und macht sie nun in der Reihe „Wortwahl“ wieder zugänglich. Ein Klassiker, in jeder Hinsicht.
Ähnlich prominent übrigens waren auch die anderen beiden Teile der Schiller-Edition besetzt. „Kabale und Liebe“, ein Lustspiel, das Schiller während seiner Wanderjahre im Anschluss an die Flucht aus Stuttgart schrieb, faszinierte schon die Zeitgenossen durch eine ungemein kraft- und effektvolle Sprache, die endgültig einen Schlussstrich unter die Tändeleien des Rokokos und die kühle Distanz der frühen Aufklärung zog. Das ist vitales, rasantes Theater, vor allem wenn man es in der damals als Sensation gefeierten Inszenierung erlebt, die Ernst Lothar für die Salzburger Festspiele 1955 entwickelt hatte. Unter den Bühnenkoryphäen waren unter anderen Will Quadflieg als Ferdinand, Walter Frank als Ferdinand von Walter, Heidemarie Hatheyer als Lady Milford und Maria Schell als Luise zu erleben, die nun auch die Hörbuchversion mit ihrem Esprit prägen. Mit „Wallensteins Tod“ schließlich schließt sich der Kreis. Denn mit dem Abschluss der 1796 begonnenen Trilogie über des Kaisers obersten Feldherrn, der sich von Verrätern umgeben sieht, mündet Schillers Schaffen in die Gedankenwelt der literarischen Klassik, die er hier am Beispiel des Konfliktes von Gesetz und individuellem Genie entwickelt. In der Reihe „Wortwahl“ wird dabei eine Fassung des Dramas veröffentlicht, die 1968 am Düsseldorfer Schauspielhaus aufgezeichnet wurde. Sie präsentiert Waldemar Schütz als Octavio und Wolfgang Arp als Max Piccolomini, vor allem aber O. E. Hasse in der Titelrolle, der bis heute als eine der beeindruckendsten Verkörperungen Wallensteins gilt.