Franco Fagioli ist ein intelligenter und charismatischer Künstler, dessen Alben bereits in der Vergangenheit neben seiner stimmlichen Leistung auch viel über seine Beziehung zu der Musik verraten, die er präsentiert. So verhält es sich auch mit dem aktuellen Album “Veni, Vidi, Vinci”. Es ist eine reine Freude, die musikalische Auseinandersetzung des argentinischen Countertenors mit dem neapolitanischen Barockkomponisten zu verfolgen und in die klanglichen Gefühlswelten einzutauchen, die Franco Fagioli mit selbstbewusster Überzeugungskraft präsentiert. Er singt die Arien nicht nur, er offenbart ihr innerstes Wesen und legt uns die Musik zu Füßen. Authentisch, unverblümt und herrlich virtuos reichen sich in den Aufnahmen Perfektion und Emotion die Hand. Heraus kommt ein Album, das schöner nicht sein könnte.
Leonardo Vincis Musik strotzt in jedem Ton vor Lebendigkeit und dramatischem Ausdruck. Die Texte des italienischen Dichters Pietro Metastasio liefern den Klängen darüber hinaus auch die perfekte sprachliche Grundlage. In der Zeit, in der Scarlatti, Pergolesi und Porpora zu Höchstform aufliefen, prägte auch Leonardo Vinci nachhaltig die Musikwelt und war dafür bekannt, den Sängern alle Möglichkeiten zu geben, sich stimmlich von ihrer besten Seite zu zeigen. Vinci hat die italienische Oper des 18. Jahrhunderts mit seinem expressiven Stil entscheidend beeinflusst und erscheint heute jedoch musikalisch viel zu selten im Rampenlicht. Mit Franco Fagiolis Album dürfte dem neapolitanischen Komponisten nun die verdiente Ehre zu teil werden, denn in den Arien kommt das erstklassige kompositorische Niveau glänzend zur Geltung.
Der Countertenor eröffnet das Album mit zwei Arien aus “Il trionfo di Camilla” von 1725. Knapp 300 Jahre später entfaltet Franco Fagiolis energiegeladene und warme Stimme darin ihre volle Schönheit. Auch im Rezitativ “Ove corri? Ove vai?” und in der Arie “Sorge talora fosca l’aurora” aus der Oper “L’Ernelinda” bekommt der Sänger ausgiebig Gelegenheit dazu, die vielen Farben seines außergewöhnlichen Timbre zur Geltung zu bringen. Zwei Arien aus “Medo”, die im 18. Jahrhundert vom legendären Farinelli uraufgeführt wurden und auch das überirdische schöne “Gelido in ogni vena” aus “Siroe re di Persia” offenbaren die Präzision einer exzellenten historischen Aufführungspraxis, die Franco Fagioli zur Vollendung bringt. Die perfekten Mitstreiter für dieses ambitionierte Unterfangen sind erneut die Alte Musik Spezialisten des Ensembles Il Pomo d’Oro, die unter der Leitung der Konzertmeisterin Zefira Valova höchstem Niveau glänzen. In der Arie “Vil trofeo” aus “Alessandro nell’Indie” strahlt seine helle Stimme mit der Solotrompete um die Wette, in “Quell’usignolo ch'è innamorato” aus “Gismondo” erwecken zwei Blockflöten zwei Nachtigallen zum Leben.
Die Werke und die Interpreten beflügeln sich ganz offensichtlich gegenseitig zu größter Schönheit. Virtuos und leichtfüßig und zugleich immer präzise und von großer Perfektion – so bringen Franco Fagiolis Aufnahmen von Leonardo Vincis Musik alle Facetten seines sängerischen Schaffens auf den Punkt. Rund die Hälfte der 14 Arien wurde zum ersten Mal überhaupt eingespielt. Das Album “Veni, Vidi, Vinci” ist ein echter musikalischer Glücksfall. Es ist ganz klar: Franco Fagioli kam, sang und siegte – mit Virtuosität, viel Gefühl und barocker Eleganz.