BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken kommt gut ohne Musik-Streaming aus. „Ich bin bekennender Höhlenmensch, was das Musikhören angeht. Ich habe keine Musik auf meinem Handy“, sagte er Capital (Ausgabe 3/2018, EVT 15. Februar). „Ich brauche eine CD mit Cover und Booklet, etwas zum Anfassen.“ Auf Tour nehme er immer einen Stapel CDs mit, um sie endlich einmal in Ruhe zu hören, sagte Niedecken in einem Roundtable-Gespräch mit dem Europachef des Musikkonzerns Universal, Frank Briegmann, und Musikproduzent Felix Jaehn.
Für BAP wirke sich der Boom des Musikstreamings nicht besonders aus, sagte Niedecken weiter. Die Band lebe vom Verkauf physischer Tonträger und von Live-Konzerten. Um das Geschäft und die Zahlen kümmere sich seine Frau. „Ich bin kein Funktionär, ich bin Künstler“, sagte der BAP-Gründer. Dass Nutzer-Daten seine Musikkomposition beeinflussen, hält Niedecken für ausgeschlossen. „Ich würde mich niemals danach richten, was mir irgendwelche Algorithmen vorgeben – nach dem Motto: Das läuft, das mache ich auch.“
Der 23-jähirge Jaehn, der dank Streaming innerhalb kürzester Zeit zum Weltstar avancierte, betonte, dass die Diskussion über die Verteilung der Erlöse in der neuen digitalen Welt längst laufe. „Natürlich müssen die Deals zwischen Plattenfirma und Künstler an die heutigen Erlösmodelle angepasst werden. Denn die Investitionen haben sich verschoben“, sagte er. Früher habe es häufig 360-Grad-Deals gegeben, bei denen die Künstler alle ihre Rechte an die Plattenlabels abgetreten haben. Die gebe es in seinem Umfeld heute seltener, sagte Jaehn. „Am Ende kommt es auch darauf an, was der Künstler möchte.“
Nach Darstellung von Universal-Europachef Briegmann gibt es in der Praxis selten Streit über die Verteilung der Erlöse. „Die Mär von den geknechteten Künstler, die einige verbreiten, ist absurd“, sagte Briegmann. „Künstler haben in der Regel ein sehr gutes Gefühl dafür, was realistisch ist.“ Statt um Geld gehe es viel häufiger um die Frage des Gegenwerts wie Support, Vertriebspower und das Investment in die Karriere durch die Plattenfirma, sagte der Musikmanager weiter. „Ein Prozentpunkt mehr Beteiligung nützt einem Künstler überhaupt nichts, wenn er sich später nicht ausreichend unterstützt fühlt.“
Nach Briegmanns Einschätzung ist die Musikbranche nach der Krise nach der Jahrtausendwende und dem rasanten Einbruch der CD-Verkäufe infolge des Aufkommens von Tauschbörsen im Internet heute in der Digitalisierung sehr weit. „2004 hatten wir ein Prozent digitalen Umsatz, heute haben wir in Deutschland rund 50 Prozent. Der Markt wächst seit fünf Jahren wieder“, sagte er. Zugleich betonte er aber: „Die digitale Transformation ist nichts, was man irgendwann geschafft hat, sondern ein Prozess, der ständige Bereitschaft zum Wandel erfordert.“ Die Politik forderte Briegmann auf, faire Rahmenbedingungen zu schaffen, damit auch Plattformen wie YouTube angemessene Lizenzgebühren für Musik bezahlen müssen.
Geführt von Monika Dunkel und Thomas Steinmann auf Capital.de.