Der 50-jährige Youssou N’Dour hat eine dieser Stimmen, die man, wenn man sie einmal gehört hat, nie wieder vergisst. Wer ihn nicht schon 1989 durch den mit Peter Gabriel aufgenommenen internationalen Hit “Shaking The Tree” kennengelernt hatte, tat dies spätestens 1994, als er im Duett mit der Neneh Cherry, der Tochter des Free-Jazz-Pioniers Don Cherry und Schwester von Eagle-Eye Cherry, den ungemein betörenden Ohrwurm “7 Seconds” aufnahm. Seitdem steht für viele Musikkenner fest: Wenn eine Stimme den gesamten afrikanischen Kontinent repräsentiert, dann ist es jene von Youssou N’Dour. Der Senegalese steht wie kein zweiter für den friedlichen Dialog zwischen den verschiedenen Ländern, Rassen, Ethnien, Geschlechtern und Religionen. Als Verfechter des Panafrikanismus ist sein Motto: “Sehr viel wichtiger als das, was uns trennt, sind die Gemeinsamkeiten, die wir haben.”
Vom Panafrikanismus zur Rastafari-Bewegung ist es nur ein kleiner Schritt. Die so genannten panafrikanischen Farben Rot, Gelb und Grün sind zugleich die Farben der Rastafaris und des Reggae. Auf seinem neuesten Album “Dakar – Kingston” widmet sich Youssou N’Dour nun erstmals dezidiert dem Reggae, der 1980 nach einem Auftritt Bob Marleys in Simbabwe in Afrika neue Wurzeln schlug, sich dort wandelte und auch vielgestaltiger wurde.
“Von Brasilien bis Australien und sogar in Bombay, Afrikaner, Inder und die Portugiesen, sie alle lieben den One-Drop-Rhythmus des Roots-Reggae”, singt Youssou N’Dour in dem Bob Marley gewidmeten Opener des neuen Albums. Und dann heißt es weiter: “Auf dem Markt spielt man seine Musik den ganzen Tag lang. Marley war ein junger Mann, der davon trieb.
Er zeigte der Welt den Weg zum Reggae / One Love, No Woman, No Cry … .”
Youssou N’Dour zeigt seine Verbundenheit zum Reggae zwar deutlich, begeht dabei aber nicht den Fehler, dem Publikum vorgaukeln zu wollen, dass er ein Teil der Tradition dieser Musik ist. Sein Ansatz unterscheidet sich auch deutlich von dem der typischen afrikanischen Reggae-Musikern- und Künstlern wie etwa den Ivorern Alpha Blondy und Tiken Jah Fakoli oder dem Südafrikaner Lucky Dube, der 2007 Opfer der ausufernden Gewalt in seiner Heimat wurde.
Einige der Titel dieses Albums hat Youssou N’Dour schon auf früheren Alben vorgestellt. Diesmal gibt er ihnen aber mit den One-Drop-Rhythmen einen Reggae-Einschlag. Etwa dem Stück “Don’t Walk Away”, das er ursprünglich vor zehn Jahren im Duett mit Sting für das Album “Joko From Village To Town” aufnahm, oder auch “Medina” und “Pitche Me”.
Unter den Gästen, die Youssou N’Dour auf “Dakar – Kingston” präsentiert, befindet sich auch ein sehr prominentes afrikanisch stämmiges, deutsches Künstlerpaar: Reggaesänger Patrice, Sohn des sierra-leonischen Schriftstellers Gaston Bart-Williams, nahm mit N’Dour den Song “Joker” neu auf, während seine Lebensgefährtin Ayo Youssous Duettpartnerin in “Africa, Dream Again” ist.
Natürlich ist das gesamte Album eine Hommage an Bob Marley, dessen Musik der Senegalese als 13-Jähriger kennen und lieben lernte. Doch es ist kein simpler Tribut an den verstorbenen Heroen. Vielmehr betrachtet Youssou N’Dour, der 2005 für das Album “Égypte” seinen ersten Grammy erhielt, sich selbst und sein Werk im Reggae-Spiegel.