“Ich habe gelernt, dass die Menschen vergessen werden, was du gesagt hast; sie werden vergessen, was du getan hast. Aber die Menschen werden niemals vergessen, was für ein Gefühl du ihnen gegeben hast”, hat die US-Bürgerrechtlerin und Autorin Maya Angelou (1928–2014) einmal gesagt. Eine Einsicht, ein Motto, dem sich auch Who Is Fancy von Anfang an verschrieben hat: Der Fokus aufs reine Gefühl zieht sich tatsächlich wie ein roter Faden durch seine Musik, durch seinen ganzen Ansatz als Musiker. Alles, was er tut, basiert letztlich auf dieser Message – und diese Message ist ansteckend: Wenn man seine Debütsingle “Goodbye” zum ersten Mal hört, fühlt man sich automatisch dermaßen bestärkt, dass man meint, man könne alles machen und jeden Wunsch wahr werden lassen – und genau darum ging’s ihm auch!
In der Kleinstadt Bentonville in Arkansas aufgewachsen, bemerkte Fancy schon früh, dass er irgendwie anders war. Er sang in der Kirche, brachte sich als 11-Jähriger parallel dazu das Klavierspielen bei – und schrieb schon wenig später seine ersten eigenen Songs, um zu verarbeiten, was in ihm brodelte. Schon damals war die Musik sein einziger Rückzugsort. Zu behaupten, er hätte in der High School nicht so recht reingepasst, wäre noch untertrieben: Er wurde schließlich so sehr schikaniert und gehänselt, dass seine Eltern ihm erlaubten, mit 17 die Schule zu verlassen und nach Nashville zu ziehen, um dort sein Glück zu versuchen.
Genau genommen wurde “Fancy” auch erst in “Music City” geboren: “Ich arbeitete damals bei Forever 21, um meine Miete bezahlen zu können, und irgendwann fingen meine Kollegen damit an, mich Fancy zu nennen”, erinnert er sich. “Ich fand den Namen allerdings super. Zum ersten Mal hatte ich etwas, mit dem ich mich identifizieren konnte: Etwas, das wirklich ich war und das meine Individualität zum Ausdruck brachte.”
Unter seinem neuen Namen spielte er schon bald drei Konzerte, die allein durch Mundpropaganda binnen kürzester Zeit ausverkauft waren. Danach ging alles Schlag auf Schlag: Er landete einen Publishing-Vertrag mit Big Machine, saß kurz danach im Flieger nach Los Angeles, wo er sich auch mit den Verantwortlichen von Prescription Music traf, dem Label des Hit-Producers
Dr. Luke (
Katy Perry,
Britney Spears). Nach einem weiteren Treffen mit School Boy Records wurde er von
Scooter Braun (
Ariana Grande,
Justin Bieber) unter Vertrag genommen, und Anfang
2015 stellte
Scott Borchetta, der CEO und Gründer von Big Machine, den Link zu seinem “Goodbye”-Song via Twitter ins Netz. Das war der Startschuss.
Allerdings gab es keine Bilder dazu, keine weiteren Informationen. Nur den Song. Die Menschen kannten das Stück, aber sie wussten nicht, von wem diese Stimme eigentlich stammte. Es war fast schon wie in den Anfangstagen des Radios: Zuerst war da diese Stimme, die einen faszinierte – ohne jemals den dazugehörigen Künstler gesehen zu haben. Nachdem auch Kolleginnen wie Meghan Trainor und Kacey Musgraves sein “Goodbye” abgefeiert hatten, ging der Song endgültig viral – und immer noch wusste niemand, wer nun eigentlich dahintersteckte: Es gab neben dem Lyric-Video noch drei weitere Videoclips, die Views in Millionenhöhe bei YouTube verzeichneten, nur tauchten darin jeweils unterschiedliche Protagonisten auf. Und dann ging “Goodbye” in die Top−30 der US-amerikanischen Billboard-Pop-Songs-Charts, woraufhin eine Frage immer mehr Menschen beschäftigte: Who Is Fancy?
“Es gibt doch so viele Vorurteile, und viel zu oft werden die Dinge allein oberflächlich beurteilt”, meint Fancy und stöhnt. “Mir ist wichtig, dass meine Gefühle und meine Musik an oberster Stelle stehen – und als erstes gehört werden. Dieses ganze Rätselraten um Who Is Fancy hat es mir letztlich ermöglicht, die Musik mit dem Rest der Welt zu teilen, aber das ganze Drumherum etwas langsamer anzugehen. Ich wollte da ein wenig das Tempo rausnehmen und den Leuten die Chance geben, mich ganz in Ruhe kennenzulernen. Diese Verbindung entsteht doch letztlich, weil die Musik ein Gefühl zum Ausdruck bringt, das die Zuhörer aus ihrem eigenen Leben kennen – und mit irgendeinem Look oder so hat das nichts zu tun. So können sie die Musik hören, bevor sie den Menschen dahinter kennenlernen.”
Was diese Musik angeht, ist “Goodbye” mit seiner geschmeidigen Melodie, dieser unglaublich warm klingenden Produktion und nicht zuletzt dem unfassbar eingängigen Refrain zwar auch eine Art vertonte Beichte, aber in erster Linie ist es eine astreine Pop-Hymne. “Im Grunde genommen handeln all meine Songs von der Liebe”, gesteht er. “Aber es ist ja nicht so, dass ich einfach nur sage, ‘Oh ich bin so traurig darüber, dass ich verlassen wurde.’ Es geht vielmehr darum, sich nicht unterkriegen zu lassen, zu wissen, dass es auch anders geht und besser werden wird – weil man selbst es einfach wert ist. Man darf sich nicht aufgeben, nur weil die eigene Umwelt diesen Druck aufbaut. Irgendwann wacht man einfach auf und erkennt, dass man mehr aus sich und seinem Leben machen kann.”
Letzten Endes will Fancy dieses Gefühl mit so vielen Menschen wie möglich teilen: “Ja, der Name Fancy steht für Freiheit”, sagt der 24-Jährige abschließend, von dem man inzwischen weiß, dass der Name Jake Hagood in seinem Pass steht, nachdem er vor wenigen Wochen sein “zweites Coming-out” in der US-amerikanischen Tonight Show Starring Jimmy Fallon hatte – übrigens auch mit reichlich Doppelgängern und dezentem Verwirrspielfaktor. “Jeder Mensch hat doch die Möglichkeit, sein Leben in die Hand zu nehmen und es selbst zu gestalten. Wir alle sind fancy. Vor zwei Jahren arbeitete ich noch bei Forever 21 – und heute bin ich hier. Ich will den Leuten zeigen, dass alles möglich ist. Ich will damit die Welt verändern. Schließlich leben wir in einer Welt, in der viele Kids nicht das sein können, was sie wirklich sind. Ich will den Schalter umlegen und dafür sorgen, dass die Leute erkennen, dass es okay ist, sie selbst zu sein. Und es geht auch gar nicht mal um mich oder darum, wer da eigentlich ins Mikrofon singt: Es geht darum, was für ein Gefühl dir die Musik gibt.”