Wenige LPs haben die Rockgeschichte so umgekrempelt wie “The Velvet Underground & Nico“. Parallel mit “Sgt. Pepper´s“ und “Pet Sounds“ gilt es als wegweisendes Rockalbum der Geschichte. Viereinhalb Dekaden nach Erstveröffentlichung hat sich das Prestige der Pionier-LP nur noch erhöht.
Universal Music / Polydor feiert das 45. Jubiläum des düsteren Meilensteins mit sechs verschiedenen taufrisch remasterten Neu-Ausgaben. Neben einer Super-Deluxe-Edition erscheint er als brandneue 2-CD-Deluxe Edition. Außerdem ist das Album als Einzel-CD wie auch digital erhältlich, neben einer remasterten Vinyl-Ausgabe.
Auf der neuen Deluxe Edition befinden sich neben der Original-LP (im Stereo-Mix) unveröffentlichte Proben-Mitschnitte von TVU aus Andy Warhols “Factory“. Enthalten ist offiziell zum ersten Mal die lang verschollene Azetat-Pressung vom 25. April 1966: Die ersten Studio-Aufnahmen der Velvet Underground in den New Yorker Scepter-Studios, mit denen sich die Band um einen Plattenvertrag bewarb. Mit anderen Song-Versionen ist diese legendäre Azetat-Pressung der Grundstein des Albums von 1967.
Die limitierte 6-CDs umfassende Super-Deluxe Edition enthält zusätzlich die Mono-Versionen des Albums plus unveröffentlichter Alternativ-Versionen. Fans bevorzugen oft den Mono-Mix, dessen komprimierter Sound die düstere Stimmung der Musik noch besser reflektiert. Ebenso gibt es dort einen Live-Mitschnitt mit den fünf Bandmitgliedern (Lou Reed, John Cale, Sterling Morrison, Moe Tucker und Nico) vom November 1966 im Valleydale Ballroom in Columbus, Ohio. Dort spielen sie quasi alle Stücke des Albums, teilweise in extensiven Live-Jams. Komplementär enthält diese große “The Velvet Underground & Nico“-Retrospektive das komplette 1967er-Debütalbum “Chelsea Girl“ der deutschen Schauspielerin, Warhol-Kollaborateurin und VU-Sängerin Nico. Es erschien 1967 bei Verve-Records, produziert von Tom Wilson (Bob Dylan, Frank Zappa, The Velvet Underground), teilweise co-komponiert von John Cale und Lou Reed und eingespielt von der gesamten Band wie auch einem jungen Folk-Musiker namens Jackson Browne. Damit beleuchtet die 6-CD-Edition die definitive Entwicklungsphase der Velvets, beginnend mit den Probeaufnahmen in der “Factory“ im Januar 1966, über die “Scepter Sessions“ und den Live-Auftritt im November des Jahres bis zur Albumveröffentlichung im März 1967 und dem Erscheinen von “Chelsea Girl“ im Oktober des Jahres: Eine Zeitspanne von rund zwei Jahren, mit raren, unveröffentlichten Aufnahmen aus der Zeit vor und nach “The Velvet Underground & Nico“.
Ein beigefügtes 88-seitiges Hardcover-Buch (mit schälbarer Banane auf dem Cover) enthält einen neuen Essay des Pop-Autoren und VU-Biografen Richie Unterberger (“White Light/White Heat – The Velvet Underground Day By Day“, 2009).
Das Remastering (von den originalen Masterbändern) in den renommierten Sterling Sound-Studios, New York überwachte mit Bill Levinson eine VU-Koryphäe, seit über 30 Jahren ist Levinson in verschiedene Velvet-Wiederveröffentlichungen involviert gewesen.
Ihr Debütalbum brachte die New Yorker Band in die Rock´n´Roll Hall of Fame. Die angelsächsische Rock-Presse und das Feuilleton räumen ihm einen Platz in den Top−20 der “größten“, “einflussreichsten“, “prophetischsten“, “revolutionärsten“ Alben aller Zeiten ein: vom „Rolling Stone“ über Spin, Uncut und Mojo bis hin zum Guardian. Die altehrwürdige Nationalbibliothek der USA (Library of Congress) hat es in ihr Archiv aufgenommen. “The Velvet Underground & Nico“ inspirierte 1989 sogar die “Velvet Revolution“ in der ehemaligen Tschechoslowakei.
Protegiert vom Pop-Art-Paten Andy Warhol, der das weltberühmte Cover designte, aufgenommen in einem morbiden New Yorker Studio, ist “The Velvet Underground & Nico“ ein kühnes Unterfangen voller lyrischer Abgründe und toller Klang-Experimente. Bei Veröffentlichung war die LP ein kolossaler Flop. Selbst 1967, dem Jahr von Jimi Hendrix, den Doors und Frank Zappa, waren die Velvets zu harte Kost. Keiner wollte sich im Jahr von Sgt. Peppers damit auseinandersetzen. Erst Jahrzehnte später sprach man “The Velvet Underground & Nico“ heilig. Ohne jemals über Platz 171 der US-Charts hinaus gekommen zu sein, gehören The Velvet Underground damit zu den drei einflussreichsten Rockbands der Geschichte. Ohne ihr erstes Album hätte es Glam-Rock so nicht gegeben, ebenso wenig Krautrock und Punk, Gothic, Grunge oder Noise-Rock. David Bowie? The Stooges, Can, Roxy Music oder The Jesus And Mary Chain? Sie würden alle anders klingen.
Das berühmte Zitat von Brian Eno bringt es auf den Punkt: “Only five thousand people ever bought a Velvet Underground album, but every single one of them started a band.”