„ALLES ROT“ ist ein Debüt. Aber kein Debüt von Anfängern. Denn es ist das erste Album von SILLY gemeinsam mit Anna Loos.
Vor fast vier Jahren war die Schauspielerin und Sängerin Anna Loos mit Uwe Hassbecker, Ritchie Barton und Jäcki Reznicek von SILLY zusammen getroffen, um sich an dem Projekt zu beteiligen, das als „SILLY& Gäste“ Lieder auf die Bühne brachten, die bislang nur von der 1996 verstorbenen Tamara Danz gesungen wurden. Respekt und Ehrfurcht war bei allen Beteiligten zu spüren, für Anna Loos war es aber noch mehr:„Ich habe früher schon in Bands gesungen. Aber ich war auf der Suche nach `meiner Musik´. Ich bin ja kein Komponist, deshalb konnte ich alleine nicht machen, was ich wollte. Aber als ich dann mit den Jungs zusammen gekommen bin, wusste ich: das ist es!“
Die Jungs, das sind Uwe Hassbecker (Gitarre, Violine), Ritchie Barton (Keyboards) und Jäcki Reznicek (Bass). Anna Loos: „Für die drei ist SILLY keine Band, es ist ihr Leben. Das merkt man schon, wie sie damit umgehen. Nichts wird dem Zufall überlassen oder in andere Hände gegeben, sondern so lange daran gearbeitet, bis alle (man kann s nicht jedem recht machen) zufrieden sind.“ Kein Wunder also, dass es auch ganze drei Jahre gedauert hat, bis SILLY nun ihr erstes Album mit der neuen Sängerin präsentieren, das erste Studioalbum seit 14 Jahren.
Uwe Hassbecker: „Einen genauen Plan gab es nicht. Eher ein Gefühl, wann wir reif für dieses Album sind. Ganz ohne künstlerischen Druck wollten wir arbeiten und haben es weitgehend auch getan. Aber wenn Du den Fans immer wieder sagst, dass es bereits neue Songs gibt und man an einem Album arbeitet, werden sie natürlich ungeduldig. Es war an der Zeit“.
Apropos Zeit. Die nimmt sich Anna Loos reichlich für SILLY, auch wenn sie zu den gefragtesten Schauspielerinnen Deutschlands zählt („Anatomie“, „In liebe ein Eins“ „NeuFundLand“, „Böseckendorf“). Loos: „Vier bis fünf Monate im Jahr bin ich mit der Arbeit vor der Kamera beschäftigt, da bleibt noch eine Menge Zeit.“ Und da ist das Singen für Anna Loos dann genau das Richtige: „Ich mache das Schauspielern schon mit Leidenschaft. Aber am Ende spielst Du doch immer eine Rolle und bist nicht Du selbst. Bei der Musik hingegen ist es 100 Prozent Anna. Das ist der entscheidende Unterschied.“
Und diese „100 Prozent Anna“ passen kongenial zu den oft melancholischen, und dennoch auch leichtfüßig daherkommenden Liedern von SILLY. Es sind keine einfachen Themen, die hier behandelt werden: die Suche nach dem „Ich“ nach viel Alleinsein („Erinnert“), die Suche nach Selbstbewusstsein und Haltung, wenn ein Mann seine Frau wegen einer Jüngeren verlässt („Alles rot“) oder auch der Mut und die Entschlossenheit („Flieger“) angesichts vermeintlicher Ausweglosigkeit.
Es liegt beileibe nicht nur an dem Umstand, dass Anna Loos Schauspielerin ist, dass wir beim Hören glauben, ein Film würde vor unseren Augen ablaufen – es ist die schon reichlich bewiesene Gabe von SILLY, mit ihren Sounds die Sehnsucht, das Traurige und auch das Kämpferische auszudrücken. Mehr noch als früher, als die „Verlorenen Kinder“ oder „Asyl im Paradies“ Gefühle zu Bildern werden ließen, können SILLY heute bewegen: Mit perlenden akustischen und hymnischen Elektro-Gitarren, mit treibendem und tragendem Groove, mit wohltemperierten, eingängigen Streicher- und Keyboard-Arrangements, die niemals Selbstdarsteller sind, sondern stets der Wind, der die Worte trägt.
Dass Anna Loos nun ausgerechnet bei dieser Band singt, die bereits zum Soundtrack ihrer
eigenen Jugend gehörte, macht die Sache umso schöner: „Ich hatte mir mit 15 meine erste Platte gekauft und das war – kein Witz – „Bataillon d´Amour“ von Silly. Ich fand deren Sängerin Tamara Danz schon damals sehr beeindruckend.“
Damals, das war vor allem die Zeit nach 1982, als aus der „Familie Silly“ kurz SILLY geworden war und die Band gemeinsam mit ihrem Texter Werner Karma auf ihren drei legendären Alben „Mont Klamott“ (1983), „Liebeswalzer“ (1985) und „Bataillon d`Amour“ (1986) Songs vorlegte, die das Bild der Band bis heute prägen. In poetischer, aber auch drastischer Sprache beschrieben und kommentierten Karmas Texte damals das Leben in der DDR, die SILLY-Musiker Tamara Danz ( 1996), Herbert Junck ( 2005), Matthias Schramm ( 2007), Mike Schafmeier, Thomas Fritzsching, Ritchie Barton und ab 1986 auch Uwe Hassbecker an Gitarre und Geige und Jäcki Reznicek am Bass schufen dafür ein musikalisches Zuhause zwischen Balladen und Rock, zwischen Gefühl und Härte.
Nach dem Tod von Tamara Danz übernahm Reznicek eine Professur an der Dresdner Musikhochschule, Hassbecker und Barton produzierten und musizierten zusammen mit Reznicek unter anderem mit Joachim Witt („Bayreuth 3“, „Auf ewig“) und für Filmproduktionen, ehe sie sich erneut SILLY widmeten, weil auch nach Jahren weder bei ihnen, noch beim Publikum die Leidenschaft für ihre Band SILLY verloren gegangen ist.
Warum es sich lohnte, wieder dort anzuknüpfen, wo man 1996 mit dem Album „Paradies“ aufhörte, weiß Anna Loos noch aus eigener Erfahrung als Fan zu berichten: „Für mich waren SILLY außergewöhnlich, weil sie die Dinge so darstellten, wie kein anderer. Das lag natürlich an den Texten, an der ganz eigenen Sprache der Band.“ Für die zeichnet sich auf „ALLES ROT“ auch wieder Werner Karma verantwortlich, der Mann, der die Poesie in den Alltag trägt und aus Alltagssprache Poesie macht. 1988 hatte er SILLY wegen persönlicher Differenzen verlassen, doch 2008 konnte Anna Loos ihn überreden, in die Familie zurückzukehren.
Und Familie ist bei SILLY wirklich nicht nur ein Wort: Bei den Studioaufnahmen zu „ALLES ROT“ und auch live entpuppen sich SILLY als Zwei-Generationen-Band, bei der Jäcki`s Sohn Basti Reznicek die Drums bedient, Uwes Sohn Daniel Hassbecker am 2. Keyboard und Cello zu erleben und – ausnahmsweise nicht verwandt – Herr Petereit für weitere Gitarren zuständig ist. Leo, den mit elf Jahren jüngsten Hassbecker auf dieser Platte, kann man zudem bei „Höhle“ am Schlagzeug erleben. Noch ein Debüt auf dieser ersten Platte von SILLY & Anna Loos.
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