Szenen einer Ehe. Was Diego Riviera und Frida Kahlo in der Kunst-, was Elizabeth Taylor und Richard Burton in der Welt des Films verkörperten, das waren
Richard und Linda Thompson im Folkrock der 1970er und 1980er Jahre: ein berühmtes Paar, das Bühne und Ehebett miteinander teilte. Oft verschwamm da die Grenze zwischen dem einen und dem anderen. London am Beginn der 1970er: Der Gitarrist und Singer-Songwriter
Richard Thompson hat mit seiner ersten Band Fairport Convention den britischen Folk der 60er definiert. Dann kommt er stilistisch mit Fairport nicht mehr auf den Punkt, seine Songs wollen nicht mehr zur Convention passen. In Londons Musikszene trifft er die Sängerin Linda Peters, damals noch liiert mit dem Produzenten und Folk-Club-Manager Joe Boyd (
Nick Drake), das war´s dann. “Er war ein sehr intensiver junger Mann”, erzählte Linda dem britischen Observer, “und ich war ein Wochenend-Hippie.” Sie heiraten. Ihre Ehe wird derart intensiv, dass der Regisseur Nick Hornby daraus ein Drehbuch für einen (nie gedrehten) Film schreibt.
Als Duo setzen sie Meilensteine im britischen Folkrock: 1974 debütieren Richard und Linda mit der wegweisenden LP "I Want To See The Bright Lights Tonight“. “Linda hatte damals eine ähnlich glasklare Stimme wie {die legendäre Folksängerin}
Sandy Denny”, stellt der Allmusic-Guide fest, “jedoch von einer Kraft, mit der sie Richards oft widerspenstiges Material leicht nehmen konnte.” "I Want To See The Bright Lights Tonight“ gehört zu den “500 Greatest Albums of All Time” des Rolling-Stone-Magazins.
Als der Nachfolger “Hokey Pokey” herauskommt, ist Richard (und mit ihm Linda) zum Islam konvertiert, beide leben in einer Londoner Sufi-Kommune. Auf dem Cover von “Pour Down Like Silver” (1975) trägt Richard dann auch einen Turban, während Linda mit Kopftuch und ohne Make-Up auf der Rückseite der LP zu sehen ist. Die Songs klingen für den Zeitgeist ungwöhnlich nüchtern und ernst, darunter erstrahlt eine zeitlose Schönheit. Lindas entspannte, undekorative Kontra-Alt-Stimme findet leicht die Verbindung zu Richards musikalischen Visionen. “Wenige Ehen zwischen Song, Arrangement, Gitarre und Stimme sind so stimmig”, formulierte der Guardian. Nach drei Jahren Pause bringen sie 1978 das nächste Highlight-Album: “First Light” heraus, gefolgt 1979 von “Sunnyvista”, das lauwarme Kritiken bekommt.
Mit den 1980ern: der Knall. “Selbst in den besten Zeiten unserer Ehe war die Kommunikation zwischen uns beiden nicht sehr gut”, sagte Linda dem Independent. Am besten lief es beim Musik machen. Je schlimmer ihre Ehe, desto perfekter werden ihre Platten, von daher verwundert nicht, dass das letzte Album “Shoot Out The Lights” als ihr bestes gilt. Ursprünglich wollten sie es mit
Gerry Rafferty aufnehmen, der als Solist gerade mit “Baker Street” einen Hit gelandet hatte. Aber sein schicker Coffeetable-Stil passt nicht zur direkten Herangehensweise der
Thompsons. Rückkehr
Joe Boyd, der mit ihnen ein schnelles, low-budget-Album auf seinem gerade gegründeten Hannibal-Label einspielt. Die Aufnahmen in den Olympic-Studios werden laut
Boyd zur Seifenoper. Die Songs sind minutiöse musikalische Momentaufnahmen einer Trennung. Rockiger denn je, macht Richard hier seine Gitarre zur Streitaxt. Die jeweils letzten Songs der LP-Seiten geben eine Atempause mit der sanften Ballade “Just The Motion” und dem geradezu fröhlichen “Wall Of Death”. (Ein starkes Bindeglied ihrer Beziehung sei ihr ähnlich krasser Sinn für Humor und Ironie gewesen, teilte Linda später dem Observer mit). Als das Album im Kasten ist, informiert Richard seine damals schwangere Frau, dass er sie wegen einer Anderen (der Folk-Club-Managerin Nancy Covey) verlässt. Die dem Album folgende Tour wird ein Ritt durch die Hölle, backstage und auf der Bühne wird viel herumgeschrien. “Ich hatte das Gefühl, dass ich zum ersten Mal seit langem wieder richtig singe”, gab Linda dem Independent zu Protokoll, “es war eine Befreiung”.
Linda und Richard sind die Eltern der beiden Musiker
Teddy Thompson und
Kamila Thompson. Mit den
Cashs und den
Wainwrights gehören sie zu den bedeutendsten Singer-Songwriter-Familien der Popgeschichte. 2002 hatte Linda Thompson mit ihrem Album “Fashionably Late” ein Comeback. Eine fantastische Werkschau von Sir Richard bietet das Boxset “Live at The BBC”. 2014 veröffentlichten sie gemeinsam mit Teddy und Kami das Album “Family”.