Ob als Gitarrist oder Pianist, ob als Komponist oder als einer der Köpfe der Band Oregon – seit drei Jahrzehnten ist Ralph Towner aus dem zeitgenössischem Jazz nicht mehr wegzudenken. Dabei kommt man nur hinter das Geheimnis dieses Multi-Talents, wenn man sich genauer seine Biographie anschaut.
1940 in Chehalis / Washington in ein hochmusikalisches Elterhaus geboren, improvisierte er mit bereits drei Jahren am Klavier und nahm sich zwei Jahre später der Trompete an. Nach zahllosen Gigs, die der Teenie Towner in einer Tanz- und dann in einer Jazz-Band absolvierte, ging er 1958 – 1960 an die University of Oregon, um Musiktheorie und Komposition zu studieren. Erst in diesen Lehr- und Wanderjahren kam Towner mit der Gitarre in Berührung, wobei er sich das Fundament autodidaktisch derart vielversprechend aneignete, dass er gleich für vier Jahre an der Wiener Musikakademie klassische Gitarre studierte. Und zwar bei keinem Geringeren als der Institution Karl Scheit. In dieser Zeit perfektionierte Towner sein Können vor allem in Barock-Ensembles und wechselte dabei schon mal zur Laute. Im Paul Winter Consort traf er dann 1967 auf Collin Walcott, Glen Moore und Paul McCandless, mit denen er 1970 Oregon gründen sollte. Bis dahin arbeitete Towner nach seinem Umzug nach New York als Sideman bei u.a. Jimmy Garrison, John McLaughlin und Airto Moreira. Gerade die Beschäftigung mit brasilianischen Sounds verlagerten Towners Schwerpunkt vom Klavier zur Gitarre. Denn eigentlich wollte er mit der akustischen Gitarre sich ganz den klassischen Kompositionen widmen, während er als Pianist mit Improvisationen an sein großes Vorbild Bill Evans anzuknüpfen versuchte. In den frühen 70er Jahren improvisierte er vorrangig auf der klassischen und der zwölfsaitigen Gitarre, ohne jedoch das Klavier ganz aus den Augen zu verlieren. “Die Gitarre”, so Towner, “beeinflußte das Klavier und umgekehrt; beides klingt heute bei mir ziemlich ähnlich. Ich behandle die Gitarre nämlich wie ein Tasteninstrument und habe das Empfinden, daß ich darauf ebenso mit beiden Händen spiele wie auf dem Klavier.” Dieser instrumentelle und klangliche Spagat wurde zum einzigartigen Markenzeichen von Ralph Towner, das selbst einen Pat Metheny schon früh verblüffte: “Das erste Mal, als ich ihn hörte, war ich überwältigt. Ich hatte niemals jemanden etwas auch nur entfernt Ähnliches spielen hören.” Towner wurde aber nicht nur zum kreativen Wortführer von Oregon, die nach dem Unfalltod von Collin Walcott 1985 vom indischen Perkussionisten Trilok Gurtu wieder komplettiert worden waren. Ständig wandelte er auf den posthumen Spuren von Bill Evans, indem er mit den ehemaligen Sidemen des Pianisten zusammenarbeitete: mit dem Flötisten Jeremy Steig, den Bassisten Eddie Gomez, Gary Peacock und Marc Johnson sowie dem Schlagzeuger Jack DeJohnette. Zu Towners kammermusikalischen Meilensteinen, die auf knapp 20 ECM-Alben komplett dokumentiert sind, gehören aber auch die weltberühmten Duos mit John Abercrombie und Gary Burton. Weitere Kollaborationen mit Keith Jarrett, Kenny Wheeler, Jan Garbarek und Markus Stockhausen stehen für ein Lebenswerk, das noch lange nicht abgeschlossen ist. Und das schon jetzt zu den wenigen gehört, die auf dem Jazz-Olymp seinen Platz gefunden haben.