Die junge italienisch-schottische Geigerin ist für Temperament und Risikofreude bekannt.
Nicola Benedetti setzt sich gerne mit selten gespielten Werken, und unbekannten zeitgenössischen Kompositionen auseinander. Ihr Spiel ist ungeheuer energiegeladen, ihr Ton hat eine kernige Ausdruckskraft, die nicht um jeden Preis den Schönklang sucht, sondern als eigenständige künstlerische Stimme mit dem Publikum kommunizieren will. 2004 überzeugte Nicola Benedetti beim Wettbewerb “
BBC Young Musician of the Year” die Jury mit dem Violinkonzert von
Karol Szymanowski und wurde mit einem Schlag berühmt. Seitdem geht die Vollblut-Geigerin ohne Kompromisse und Effekthascherei ihren eigenen künstlerischen Weg – immer im Sinne der Musik. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Musik ihrer Heimat Schottland auf “
Homecoming – A Scottish Fantasy”, widmet sich die Geigerin nun mit einem weiteren persönlichen Album ihren russischen Kindheitserinnungen.
Russische Reminiszenzen
Seitdem Nicola Benedetti in ihrer Kindheit an der Yehudi Menuhin School mit dem russischen Musikstil in Berührung gekommen ist, haben ein hoher Anspruch, große Ernsthaftigkeit, aber auch viel sinnliche Wärme ihre Laufbahn als Geigenvirtuosin geprägt. Bereits als Kind schaute Nicola Benedetti sich Videoaufnahmen von David Oistrach mit dem ersten Violinkonzert von Schostakowitsch an, nur einige Jahrzehnte später hat sie nun selbst das anspruchsvolle Werk gemeinsam mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter der Leitung von Kirill Karabits eingespielt. In Kombination mit dem Violinkonzert von Schostakowitschs Lehrer Alexander Glasunov, ist ein Album entstanden, das ein weites Spektrum der russischen Klangvorstellungen des 20. Jahrhunderts zeigt und Nicola Benedettis tiefe Liebe zu dieser Musik offenbart.
Eindrucksvolle Kontraste
Die beiden Werke sind in Sachen Stil, Klangfarben und Stimmungen gänzlich unterschiedlich und doch eint sie die große Ausdruckskraft, die in den Partituren steckt. Während das monumentale erste Violinkonzert op.99 von Dmitri Schostakowitsch aus dem Jahr 1948 den tiefen Schmerz des Komponisten über die politischen Widrigkeiten zur Zeit seiner Entstehung zum Vorschein bringt und über weite Strecken eine bedrückende Dürsternis und verwirrende Brüche in sich trägt, sprudelt Alexander Glasunovs Violinkonzert op.82 geradezu über vor Optimismus, Klangschönheit und ergreifenden Melodien.
Das am 29. Oktober 1955 von David Oistrach uraufgeführte Violinkonzert von Schostakowitsch orientiert sich nicht an der traditionellen Konzertform der drei Sätze, sondern hat mit seinen vier Sätzen einen eher sinfonischen Charakter, in dem die Solovioline als eine Stimme von vielen in einem facettenreichen musikalischen Organismus die Vielschichtigkeit, Zwiespältigkeit und Unergründlichkeit der musikalischen Wendungen ausdrückt, die Schostakowitsch am Herzen lagen.
Beim Spielen des 1904 von Glasunov komponierten Violinkonzertes op.82 gehen die vier Sätze mit ihren unzähligen lyrischen, sanften und sinnlichen Farben nahtlos ineinander über und bezaubern mit vergnügtem Überschwang, kammermusikalischer Intimität und violinistischen Kunststücken der Solistin. Nicola Benedetti lässt mit Glasunovs Komposition eine ganz eigene klangliche Fantasiewelt entstehen, in der sie sich mit hörbarer Freude an der Musik völlig frei entfalten kann.