Vor vierzig Jahren ging Nana Mouskouri in ein New Yorker Studio, um unter der Ägide von Quincy Jones ihr vielleicht schönstes, sicherlich jazzigstes Album einzusingen. Nachdem “The Girl From Greece Sings” vor kurzem schon als CD erschienen ist, wird das ungewöhnliche Album nun auch noch einmal auf Vinyl wiederveröffentlicht.
“Dieses Album mit Nana Mouskouri in New York aufzunehmen, war eines der unvergeßlichsten Erlebnisse meiner gesamten Karriere”, schreibt Quincy Jones in den Liner Notes zur Wiederveröffentlichung des 1962 in New York entstandenen Albums “The Girl From Greece Sings”.
Wenn man die Musik hört und die Geschichte dahinter kennenlernt, glaubt man dem großen Produzenten und Charmeur ohne weiteres. Quincy Jones, der damals A&R-Mann bei Mercury war und in dieser Zeit mit legendären Jazz-Diven wie Sarah Vaughan und Dinah Washington zusammenarbeitete, war nach Europa gekommen, um sich nach neuen Talenten umzusehen. Dabei stieß er auf die 25 Jahre junge Sängerin aus Griechenland, die in Deutschland gerade mit dem Schlager “Weiße Rosen aus Athen” Erfolge gefeiert hatte und in Paris unter der Regie von Michel Legrand das Album “Les Parapluies De Cherbourg” aufnahm. Jones hörte Mouskouri und war vom Fleck weg so begeistert, daß er mit den französischen Labelkollegen sofort eine Aufnahmesession in New York anberaumte.
Da Nana Mouskouri den Jazz im allgemeinen und Sarah Vaughan, Dinah Washington, Billie Holiday und Ella Fitzgerald im besonderen liebte, lag es nah, sie ein Album mit Jazzstandards einsingen zu lassen. Um sicher zu gehen, daß seine europäische Elevin wußte, was da im Studio auf sie zukommen würde, zog Quincy mit Nana erst einmal einen Monat lang durch die Clubs von Harlem und Greenwich Village. Er stellte sie Sassy und Ella, Dinah und dem Duke vor. Und wunderte sich nicht schlecht, als Miles sie wie eine alte Freundin begrüßte und gleich anfing, mit ihr über seltsame griechische Taktarten zu scherzen.
“All die großen Stars, die ich kennenlernen durfte, waren sehr interessiert”, erinnert sich Nana Mouskouri heute. “Sie wollten wissen, wie es kam, daß ich den Jazz so liebte. Sarah Vaughan sagte mir:” Um Jazz zu singen, mußt du wirklich wie eine Jazzsängerin leben." Das Leben der Jazzleute ist mitunter sehr schmerzvoll und schwer. Man kann das unmöglich nachempfinden, wenn man dieses Leben nicht lebt. Das ist auch der Grund, warum ich in meinem Leben nicht so viel Jazz gemacht habe. Um Jazz zu singen, muß ich vor allem mit den richtigen Musikern zusammen sein. Aber wenn die Musiker es mir zutrauen, dann glaube ich auch, daß ich es kann."
In der vierten Woche ihres New York-Aufenthalts war es endlich so weit. Nana Mouskouri und Quincy Jones gingen in die 42nd Street & Broadway Studios und begannen mit den Aufnahmen. Mit Phil Ramone als Toningenieur und einem mit Jazzern gespickten Orchester unter der Leitung von Torrie Zito, dem langjährigen Begleiter von Helen Merrill, sang “The Girl from Greece” fünfzehn mehr oder weniger zum Standardrepertoire zählende Songs: “Don’t Go To Strangers”, damals in der Aufnahme von Etta Jones so etwas wie ein Jazzhit, aber auch “Smoke Gets In Your Eyes”, mit dem die Platters berühmt wurden, oder Gilbert Becauds “What Now My Love”. Diese Leid- und Liebeslieder sang die eigentlich sehr schüchterne junge Frau, die sich nach eigenen Aussagen Zeit ihres Lebens hinter der Hornbrille versteckte, mit einer gesunden Portion stimmlicher Selbstsicherheit. Mutig und klar, aber nie übermütig, schwebt ihr schöner Sopran über den sanften Arrangements. Und auch wenn Nana Mouskouri dabei nicht so klingt, wie man sie von ihren Schlagererfolgen kennt, hat sie doch eine so individuelle Art zu singen, daß sich Vergleiche erübrigen.
“Eigentlich höre ich mir meine Aufnahmen nur sehr ungern wieder an”, gesteht sie. "Aber als Quincy mich fragte, ob ich unsere alten Aufnahmen mal wieder gehört hätte, nahm ich sie mir vor. Und war überrascht. Ich dachte: “Kein Wunder, daß man damals meinte, daß ich gut singe.” Ich bin nicht leicht zufrieden zu stellen, aber bei dieser Aufnahme, finde ich, habe ich wirklich gut gesungen. Ich bin stolz darauf."
Daß die griechische Sängerin, die übrigens gerade ein neues Album mit u.a.
Lokua Kanza und
Márcio Faraco aufnimmt, mit dieser Einschätzung nicht alleine dasteht, zeigten die vielen überraschten und positiven Kritiken, die sie für die Wiederveröffentlichung von “The Girl From Greece Sings” einheimste. “Ein Kritiker schrieb einmal, Mouskouri sei die Muster-Botschafterin des unverdorbenen, asexuellen Liebesliedes”, erinnerte sich etwa Janko Tietz in “Die Woche”. “Was Mouskouri, Jones und das Orchester um Torrie Zitojedoch da fabrizierten, ist virtuos und regelrecht erotisch.”