“Betrüger”, das Debütalbum von Milliarden, ist gleichzeitig brutal ehrlich und wunderschön poetisch – wie die Band selbst. Denn der rote Faden, der sich durch die Songs des Berliner Duos zieht, ist eine an zwei Enden brennende Zündschnur aus Dualismus und Ambivalenz. Texte und Musik sprechen von Kreativität und Zerstörung. Punk und Pop. Scheiße und Gold. Krieg und Frieden. Himbeereis und Kokain.
Songs wie “Freiheit is ne Hure”, der Titeltrack zu Oskar Roehlers Film “Tod den Hippies!! Es lebe der Punk”, sind rabiat und zärtlich zugleich. Wenn Frontmann Ben im Refrain des Songs lustvoll Georg Büchner variiert und in der Strophe das Selbstverständnis der Band auf den Punkt bringt, dann tut er das so krawallig und mit solcher Hingabe, dass man die Kehle des Sängers mindestens so wund wähnt wie sein Herz.
Milliarden sind schonungslos, vor allem in der Auseinandersetzung mit inneren Zuständen und äußerer Form, mit sich selbst und der Welt. Ganz plakativ und direkt in das eigene Spiegelbild auf “Blitzkrieg Ballkleid” oder düster im dräuenden Gitarrenrocker “Ende Neu” in Bezug auf die Stunde Null. Auch dieser Song ist eng verbunden mit Roehlers Film. Und zwar insofern, als er bereits mit den ersten Worten “Ich mache die Uhren kaputt (…) ich mache den Tod kaputt” den Schauspieler Alexander Scheer in der Rolle des Blixa Bargeld zitiert und auch der Songtitel einem Album von Blixas Band Einstürzende Neubauten entlehnt ist. Dazu brettern die Gitarren auf einem schimmernden Keyboardfilm übers Parkett und reißen den Hörer in ihrer Wucht einfach mit.
Dabei sind die zärtlichen Stücke des Albums in Gestus und Haltung genauso rabiat, wie die rabiaten Stücke zärtlich sind. Besonders eindrucksvoll belegt das “Die Angst”, ein Song, der sich einerseits als Schilderung einer “Amour Fou” lesen lässt – womit er sich in eine Reihe mit “Oh Cherie” stellen würde, in dem Milliarden hemmungslos dem der Liebe innenwohnenden Wahnsinn und seiner zerstörerischen Kraft huldigen, andererseits aber auf einer abstrakteren Ebene, die Angst vor dem Unbekannten, dem Rätselhaften schildert.
Wie viel Pop, bei aller Kompromisslosigkeit, in der Musik von Milliarden steckt, belegt neben Liebesliedern, wie der zärtlich trägen Ballade “Im Bett verhungern” oder “Zucker”, wo die Popschraube nicht nur mit Hilfe der Bläsersätze bis zur letzten Umdrehung angezogen wird, und dem zweifelnd um Antworten ringenden “Marie” aber vor allem das hochmelodische, an den Helden des britischen Gitarrenpops der 80er-Jahre geschulte “Katy Perry”.
Auf “Betrüger” geht es um die Wahrheit und den Betrug an derselben, um die Wahrheit der Betrüger und um die Sehnsucht nach einem Gegenpart zum gelernten Lebensentwurf. Es geht um Schrecken und Schönheit, Ende und Neubeginn, Kokain und Himbeereis.