Konzert für Berlin '89 | News | 25 Jahre Mauerfall: Zeitzeugen berichten vom Konzert für Berlin 89

25 Jahre Mauerfall: Zeitzeugen berichten vom Konzert für Berlin 89

Wolfgang Niedecken (BAP)
© Max Kohr
07.11.2014
Wir haben Zeitzeugen gesucht und sie gefunden: Menschen, die diesen historischen Augenblick vor 25 Jahren miterlebt haben, die dabei waren als die Mauer fiel und das Konzert für Berlin mit Udo Lindenberg, Nina Hagen, BAP, Silly und Co. zu Ehren der Wiedervereinigung stattfand.

Hier präsentieren wir Ausschnitte aus den zahlreichen Einsendungen, die uns erreicht haben.

Tom M. aus Halle

„Am Abend des 11. November 1989 entschlossen wir uns (meine Frau und meine damalige Tochter, 5 Jahre jung) am 12. November mal nach West-Berlin zu fahren, einfach mal um zu schauen und evtl. mal bei einer Bekannten zu klingeln.
Die Zugfahrt verlief problemlos, alle waren sehr aufgeregt. Der Übergang war zu unserem Erstaunen ohne jegliches Getue…

In West-Berlin angekommen war das erste Bild “der Freiheit”: Ein Taxi hielt. Ein Mann torkelte heraus, pinkelte gegen eine Hauswand und weiter ging die Fahrt. Unvorstellbar.
Das nächste Bild, ein Café mit der Aufschrift: „Ohne WC.“ Wir dachten an einen Gag. War aber keiner. Nach Kaffee und “Mutti, Papa da gibt’s Dickmanns” wollten wir zahlen. Wir hatten das “Glück” immer D-Mark zu haben, also zückten wir diese…“Nee, nee ihr kommt doch von drüben. Dann zahlt auch mit der Kohle von drüben!“
Weiter ging es zu einer Bekannten, damals Schlagzeugerin bei dem Musikkabarett 2/3 aus Kreuzberg.

“Mensch, ihr seit wohl abgehauen?”
”Nein die Grenzen sind offen”
„Was? Habe ich gar nicht mitbekommen!”
Kaffee. Aufgeregte Gespräche. Gedruckse der Gastgeberin.
“Was ist?”
“Ja, ich habe eigentlich heute was vor. Da hat einer vom SFB ein Konzert organisiert…ich weiss jetzt auch warum…bin dort Backstage…wartet, ich rufe an…ihr seid dabei.”
“ Wann geht es los?”
“Jetzt!”

Und los ging es zur Deutschlandhalle. Backstage – Aufkleber auf die Hose – ich war sprachlos. Rein in die Halle.

Ganz laut “ Tom, was machst du hier!?”
PANKOW stand vor uns in der noch leeren Halle. Große Freude, Umarmungen, fast Tränen. Silly kam, die nächsten Umarmungen. Scholle Zöllner…sind denn hier alles DDR-Bürger? Nein, da standen “die anderen”, Heinz Rudolf Kunze, Nina Hagen, Wolfgang Niedecken … und das Gerücht Bruce Springsteen käme…. Da war ich schon sprachlos. Die Halle wurde immer voller.
Wir liefen alle rum, umarmten uns. Heinz Rudolf Kunze weinte mal, irgendwie ein jeder mal. Im meinem Job vorher lernte ich viele Musiker kennen. Ich hatte das Glück mit Rio Reiser, Leon Gieco, Tanja Libertad und viele anderen zu arbeiten. Zu meiner Frau sagte ich immer: “Wenn ich Udo Lindenberg mal kennengelernt habe, hänge ich den Job an den Nagel!” Ein Techniker von PANKOW sagte: “Tom, komm mal mit!”
“Hier!”
“Udo!?”
“Hallo, mein Name ist Tom. Ich bin kulturpolitischer Mitarbeiter am Jugendklubhaus Philipp Müller in Halle!”
“Freut mich, ich bin Udo Lindenberg.”
“Ich weiß!”

Da stand er leibhaftig vor mir, freute sich wie alle anderen.
Zwischenzeitlich wurde unsere Tochter immer wieder mit der Frage: “Eh, kleine möchtest du irgendwas?”entführt. “Ja, Smarties!” war ihre Standardantwort. Und so ging sie mit jedem Musiker, egal ob von West oder Ost mal Smarties “kaufen”.
Inzwischen kam ein riesiger Schwarzer mit echt langem Haar in den Backstage- Bereich. Und da wusste ein jeder im Backstage wer da gleich hinterher kommen wird. JOE COCKER. Unfassbare Minuten und ein Verbeugen vor dem Star.
Und ab ging die Post.

Egal wer dort spielte…es gab Worte der Freude und alle das Beste. Als Joe Cocker “With A Little Help From My Friends” sang, sangen alle, und so mancher weinte auch, mit. Erst später bekamen wir von den vielen Menschen vor der Halle mit. Es bleibt unvergessen.

Irgendwann saßen wir wieder im Zug. Andere auch. Alle zeigten, was sie sich gekauft haben. Als man uns fragte,sagten wir: “Wir haben uns das Geld noch nicht geholt, wir waren bei einem Rockkonzert!”

Erst später wurde uns die Dimension dieses Konzertes klar. Ein T-Shirt erinnerte mich noch jahrelang an diesen Tag.

Und wir uns jedes Jahr…“

Jürgen K.

„Es war die aufregendste Zeit in meinem Leben. Ich war die Tage nach dem Mauerdurchbruch zu Fuß, mit dem Auto und mit dem Fahrrad unterwegs, um die Stellen in der Stadt zu besichtigen und zu fotografieren, wo sich im freudigen Taumel Ost und West trafen. Die Stadt befand sich im freudig chaotischen Ausnahmezustand. An mein Fahrrad hatte ich zwei Fahnen angebracht: die westdeutsche und die ostdeutsche. Darauf wurde ich mehrfach angesprochen. Ein DDR-Bürger meinte, dass es jetzt das erste Mal sei, dass er sich zur DDR-Fahne bekennen könne, weil die DDR-Bevölkerung nun ihre Rechte erkämpft hätte. Die beiden Fahnen hatte ich auch in der Deutschlandhalle zu dem Ost-West-Rockkonzert dabei. Besonders hat mich gefreut, dass das Liedermacherduo Gerulf Pannach und Christian Kunert, die ich gut kannte, auch auf der Bühne stand. Beide waren 1976/77 in Ost-Berlin nach Protesten gegen die Biermann-Ausbürgerung im Stasi-Knast gelandet und dann nach West-Berlin abgeschoben worden. Im Westen haben sich die Ex-Musiker der bekannten DDR-Band “Renft” mehr schlecht als recht durchgeschlagen. Am Samstag, den 11. November 1989 war ich auch am Potsdamer Platz, wo ein neuer Grenzübergang geöffnet worden war. Dort habe ich ein Flugblatt verteilt und dabei ungläubiges Staunen geerntet.

10 Tage vor dem Mauerfall am 30. Oktober 1989 hatte nämlich mein Verein, die Berliner Geschichtswerkstatt, einen Aufruf zur Gründung der Initiative “Die Mauer muss bleiben” beschlossen. Es war eine Solidaritätserklärung mit der DDR-Bürgerbewegung aber auch gleichzeitig die Aufforderung, nach dem Fall der Mauer (“Sie wird eines Tages fallen, da sind wir sicher”) die Mauer als Denkmal für eine verfehlte Politik stehen zu lassen. Das hat am 11. November 1989 niemand verstanden. Leider kam es so, wie wir es am 30.10.1989 voraus gesehen hatten. Es gibt nur noch an wenigen Stellen der Stadt Reste der Mauer.“

Berlind aus Wien

„… was für ein Tag. Wir sind ganz früh losgefahren, vier Kommilitonen und ich, mit 'nem Wartburg, von Chemnitz (oder besser, damals noch von Karl-Marx-Stadt) Richtung Norden, auf der Suche nach Berliner Luft. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo wir das Auto abgestellt haben – irgendwo am Rand der Stadt. Wir drängten uns in eine der überfüllten S-Bahnen und los ging’s. Irgendwann stiegen die anderen aus. Ich hab’s nicht geschafft, der Zug war zu voll. Bevor ich raus kam, waren die Türen schon wieder zu gegangen. Handy gab’s noch nicht, also stand ich alleine da. Und eigentlich war das ganz gut so. Begrüßungsgeld und Geschäfte waren mir völlig egal. Ich war auch gar nicht an der Mauer – das hab ich erst später irgendwann nachgeholt. Ich hab mich durchgefragt und bin zur Deutschlandhalle gefahren. … Da bin ich rein, es muss am frühen Nachmittag gewesen sein. Und dann 10 Stunden Musik, irgendwie war es ein kleiner Rausch (oder vielleicht auch ein größerer). ein Potpourri der Lieder, mit denen ich groß geworden war – und das alles auf einmal, gemeinsam, auf einer Bühne, an einem Nachmittag! Es waren so viele gekommen und die Stimmung war einfach genial.

Als das Konzert aus war, stand ich da, ohne passendes Geld und ohne Orientierung. Aber es gab nette Leute rundherum, und letztendlich haben mich zwei Jungs auf ein Nachtmahl in ein kleines türkisches Restaurant eingeladen. Ich hab damals zum ersten Mal Hummus gegessen (“Kichererbsenpüree” – ich brauchte die Erklärung). Komisch, dass ich mich genau daran noch erinnere.

Gegen morgen bin ich zum Ostbahnhof gepilgert und hab den ersten Zug genommen, der zurück nach Karl-Marx-Stadt fuhr. Voller Impressionen, voller Träume und Ideale – Aufbruchsstimmung …“

Anonym

„Ich war dabei mit meinem damaligen Freund und zwei Freundinnen und wir standen für Stunden in der ersten Reihe! Es war ein unvergessliches Erlebnis. Ich bin 1969 in Prenzlau geboren und dort auch aufgewachsen, war also damals gerade 20 geworden. Als am 09.11.1989 die Mauer fiel, war ich gerade in Leipzig beim Studium. Am nächsten Tag war der Hörsaal fast leer.

Mein Gedanke war, dass ich dann irgendwann auch mal nach Westberlin fahren werde – und zwar mit meiner Oma, weil die als Rentnerin schon ab und zu mal “drüben” war. Am Wochenende fuhr ich dann nach Prenzlau nach Hause und sah in der Abendschau des SFB die Ankündigung für das Konzert für Berlin. Da wir damals große Lindenberg-Fans waren und in Aussicht gestellt wurde, dass er dort auftreten würde. War klar, dass wir da hin müssen. Zumal eine der Freundinnen mit einem Augenzwinkern immer gesagt hat “Ich werde nie heiraten und wenn, dann Udo Lindenberg!”

So machten wir uns mit dem Zug auf den Weg. Wir nutzen den Grenzübergang Bornholmer Straße. Von dort schlugen wir uns irgendwie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (die wir Ossis kostenlos benutzen durften) durch bis zur Deutschlandhalle. Dort warteten wir Stunden, bis sie geöffnet wurde und rannten mit den anderen hinein. Da wir uns in dem Gebäude nicht auskannten, rannten wir einfach den anderen hinterher und landeten in der ersten Reihe. Dort fragte irgendwann eine Journalistin, wer denn aus dem Osten sei. Wir haben uns gemeldet und wurden interviewt und fotografiert. Das Bild erschien u. a. groß auf einer Seite im Spiegel. Der Artikel und das Foto kleben in meinem Fotoalbum. Darauf habe ich handschriftlich vermerkt, wen wir alles gesehen haben.“

Falko H.

„Da standen wir nun vor der Deutschlandhalle. Drinnen das Konzert und draußen wir mit geschätzten 10.000 Leuten. Doch dann öffnete sich eine Tür, genau vor uns. Wahnsinn. Auf einmal waren wir drin. Und da standen sie auf einmal vor uns auf der Bühne. All die Stars, von denen wir uns die Platten von Oma aus dem Westen mitbringen ließen oder im Ungarnurlaub kauften. Joe Cocker sang gerade beim Reinkommen. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Nina Hagen,Nena und all die Andern. Die Toten Hosen sollen auch dabei sein. Oder doch nicht? Dann die Ansage: Campino ist total breit und wird gerade in einem Sauerstoffzelt aufgepäppelt. Und dann standen die Hosen doch noch auf der Bühne und spielten ihre Lieder… Rechts neben der Bühne, wo wir standen, mischten sich die Künstler unters Volk. Erst trafen wir Nena und redeten miteinander. Danach ließ sich auch noch der wieder genesene Campino blicken. Da ließ ich mir spontan ein Autogramm von ihm in meinen DDR-Personalausweis geben. Den Ausweis habe ich noch heute. Jahre später traf ich Campino bei einem Konzert in Leipzig wieder und erzählte ihm davon. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Beim vorzeigen meines Personalausweises betätigte die Unterschrift und glaubte meinen Ausführungen. Anscheinend ging es ihm an diesem denkwürdigen Abend vor 25. Jahren doch noch nicht so gut. Aber das war mir egal, denn ich war dabei!!!“

Steffen T.

„Ich war damals beim Konzert für Berlin dabei. Für mich als BAP-Fan war es unglaublich “meine Helden” nach der 1984 geplatzten DDR-Tour endlich live zu sehen. Seit 25 Jahren versuche ich, Aufnahmen von diesem Konzert-Tag zu bekommen, welche ja in den 90-ger Jahren ab und an im Radio liefen. Einige Bandauftritte (Melissa Etheridge, BAP, Toten Hosen, Joe Cocker, Udo Lindenberg) habe ich mittlerweile komplett.“