Er ist der Mann der Stunde. Kaum ein Solist hat zuletzt mit hochdotierten Preisen und furiosen Recitals so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Kian Soltani. Dabei ist der brillante Cellist alles andere als ein Marktschreier. Diskret und stilsicher im Auftritt, verkörpert er eher einen Gentleman alter Schule. Soltani ist sich dessen bewusst. Der in Österreich aufgewachsene Ausnahmekünstler entstammt einer persischen Musikerfamilie, in der Höflichkeit groß geschrieben wird.
Persische Prägungen: Kian Soltani
Kian Soltani ist in zwei Kulturen aufgewachsen. Zuhause wurde er mit der persischen Tradition vertraut gemacht, hörte ihre Musik, lernte ihre Sprache, Sitten und Gebräuche kennen. Draußen beheimatete er sich in der österreichischen Lebenswelt, wanderte durch die Berge, genoss den überwältigenden Reichtum der Natur und tauchte früh schon in die europäische Musikkultur ein.
Soltani weiß, dass es Unterschiede gibt. Er schert nicht alles über einen Kamm. Was er jedoch auch weiß, ist, dass die Kulturen voneinander lernen können. Er hat es an sich selbst erlebt. In seinem Inneren bildete sich die persische Musiktradition, die er noch heute gemeinsam mit seinem Vater pflegt, fort. In seinem Ohr klingen noch die klassischen Harfentöne seiner verstorbenen Mutter nach, die ihn seit frühester Kindheit in den Schlaf begleiteten.
Liebestrunken: Romantisch fühlen
Soltani liebt die österreichische und deutsche Romantik. Schubert und Schumann sind ihm ans Herz gewachsen. Von dem melodischen Reichtum, den verträumten und leidenschaftlichen Fantasien dieser Komponisten zehrt er. Sie sind sein künstlerisches Elixier. Dass er seiner zweifachen Herkunft Rechnung tragen möchte, ist aber verständlich, beweist sein Solodebüt bei der Deutschen Grammphon doch eindrucksvoll, dass seine persisch-österreichische Doppelexistenz grandiose musikalische Synergien ermöglicht.
Der 25-jährige Shootingstar kombiniert auf seinem Debütalbum sehnsuchtsvolle Kompositionen von Schumann und Schubert mit den eigens für Soltani komponierten “Persian Folk Songs” des iranischen Avantgarde-Komponisten Reza Vali. Den Schlusspunkt des Albums, das den vielsagenden Titel “Home” trägt, bildet ein fulminanter “Persischer Feuertanz” für Cello solo. Soltani hat dieses Werk selbst komponiert und das Genre gleich miterfunden.
Glühend modern: Reza Vali
Was ist ein Feuertanz? Es ist eine ebenso modern wie romantisch und exotisch anmutende Solo-Meditation am Cello. Ein melancholischer Traum, ein Lied, eine Sehnsucht, ein Taumel, eine wilde Ekstase. Feuertänze gibt es natürlich in Persien nicht. Bei Kian Soltani allerdings schon. Der impulsive Cellist drückt damit einen Teil seiner Prägungen und Neigungen aus, die er zuvor auf dem Album offenbart hat:
Tanzbegeisterung und stille Zufriedenheit in Schuberts Arpeggione-Sonate, sachte Melancholie in dessen “Nacht und Träume”, durch die sich Soltani mit seinem diskreten Pianisten Aaron Pilsan genauso achtsam bewegt wie durch die visionären, mit erstaunlich modernen Einfällen gespickten Fantasiestücke von Robert Schumann. Berührend innig: Schumanns Lied “Du bist wie eine Blume”.
Die einfache Melodie kommt in der Version für Cello und Klavier in vollendeter Schönheit zur Geltung. Ein neuartiges Klangpanaroma öffnen die “Persian Folk Songs” von Reza Vali. Westliche und östliche Perspektiven fließen in dem Zyklus ineinander. Soltani lässt uns an einer Welt teilhaben, die deutlich romantische Züge trägt, in ihrer Modernität und Eigenwilligkeit aber für sich selbst steht. Elektrisierend!