Joss Stone
“Colour Me Free”
Zu dem unglaublichen Talent, das bereits das sagenhafte Debüt aus dem Jahr 2003 überstrahlte, hat sich bei der 22-jährigen Soulsängerin Joss Stone nun auch jede Menge Lebenserfahrung hinzugesellt. Es war schon erstaunlich, mit welchem Selbstbewusstsein und vor allem mit welch wahnsinnig reif klingender Stimme die damals 16-jährige junge Dame aus dem englischen Devon die internationale Musikszene betreten hat. Wer aber hätte damals gedacht, dass Joss Stone einen Millionseller nach dem nächsten landen würde. Die weltweite Verkaufszahl ihrer bis dato drei Alben beziffert sich auf acht Millionen und abgesehen von ihren Brit-Awards und Grammy-Nominierungen ist sie wie selbstverständlich an der Seite unzähliger Superstars aufgetaucht und hat dabei stets einen mehr als überzeugenden Eindruck hinterlassen. Joss Stone ist zum Soulstar mit Stil und Substanz avanciert – und auf dem besten Weg zu ihrem nächsten Triumph.
Colour Me Free, das am 30. Oktober 2009 erscheinende vierte Studioalbum, ist das nächste aufregende Kapitel in der Saga der Stone, ein Kapitel, das wie zuvor Soul Sessions (2003), Mind, Body & Soul (2004) und Introducing Joss Stone (2007) tief im Soul verwurzelt ist. Gleichwohl offenbart die Sängerin und Songwriterin auf diesem Werk neue künstlerische Facetten, die stilistisch weit über Soul hinausweisen und mit Pop ebenso liebäugeln wie mit R&B, Funk, HipHop und Gospel. Entstanden sind die zwölf Aufnahmen in Mama Stones im englischen Wellington, dem Live-Club ihrer Mutter. Joss Stone, die das Album gemeinsam mit Jonathan Shorten und Conor Reeves produzierte, erklärt die Ambitionen hinter ihrem neuen Opus: “Diesmal wurde das Album weder großartig diktiert noch forciert, es war einfach ein organischer Prozess, bei dem jeder Musiker die Freiheit hatte, seinen eigenen Sound zu kreieren. Ich habe das Album mit produziert und es ist eine ehrliche und sehr genaue Spiegelung, wo ich mich als Künstler und Mensch gerade befinde. Ich bin wirklich stolz darauf und kann es kaum abwarten, dass die Songs endlich überall zu hören sein werden.”
Bemerkenswert sind auch die an Colour Me Free beteiligten prominenten Musiker, mit denen Joss Stone freundschaftlich verbunden ist und die von ihr selbst eingeladen wurden, zumal hier gleich mehrere Musikergenerationen involviert sind. Gitarrenlegionär Jeff Beck, der immerhin schon 65 Jahre alt ist, liefert zu dem Funk-Juwel “Parallel Lines” ein paar prägnante Licks, während Sheila E. demselben Stück auf ihre Art und Weise eine extra Prise Pfeffer verleiht. Dave Sanborn, der Saxophonist, der vom Alter und Renommee aus einer ähnlichen Liga stammt wie Jeff Beck, veredelt den Soulshuffle “I Believe It To My Soul” mit Volumen und Jazz; Neo-Soul-Aficionado Raphael Saadiq, Jahrgang ’66, gelingt im Verbund mit Stone das Kunststück, mit “Big Ole Game” eine Schnittstelle aus Rolling Stones – ca. “Black And Blue” – und Tamla Motown zu markieren. “Governmentalist” – eine schöne Wortschöpfung, in der sich Macht und Magie widerspiegeln – ist das, was man sich unter einem Funk aus den Swamplands der Südstaaten vorstellt. Der prickelnde Groove, abgeschmeckt mit einem Schuss Voodoo und einer mitreißenden Einlage des 36-jährigen Rappers Nas, erzeugt pure Dancefloorenergie und ist neben der ersten Single “Free Me” eines der Highlights unter den Songs, die mehr aufs Tempo drücken.
Ganz gleich, in welcher Disziplin sich Joss Stone hier auch versucht, überzeugend ist dies jedes Mal. Sei es bei dem dynamisch druckvollen “Incredible”, bei dem ihre Stimme geradezu explodiert, oder bei ihrer Version des modernen Soulklassikers “You Got The Love”, der in den 1990ern keiner Geringeren als Candi Staton ein fulminantes Comeback bescherte. Aber es gibt auch die versonnenen, verträumten Momente auf dem wohl ausgereiftesten Album von Joss Stone. Das hymnische “Lady” ist ein wahres Soulgebet, “Y And 20” ein Song vom Kaliber eines Sam-Cooke-Classic, “Stalemate”, gemeinsam geschrieben und gesungen mit Jamie Hartman (Ben’s Brother), die perfekte Popballade, auf die sich alle einige können sollten – übertroffen höchstens noch von der finalen Pianoballade “Girlfriend On Demand”, die keinen Deut hinter Weltstars wie Alicia, Beyoncé oder Whitney zurücksteht. Mit “Colour Me Free” zieht Joss Stone alle Register und präsentiert sich tatsächlich enorm farbenreich, stürmisch und stimmlich wie entfesselt.
Als Joss Stone mit gerade mal 16 Jahren die Musikszene betrat, wusste sie – so sagt sie heute rückblickend – eigentlich gar nicht so richtig, was sie da tat. Kritiker sahen das anders und schwärmten von einer “Sängerin wie keine andere ihrer Generation” (New York Post) und von einer Stimme, die “zugleich ganz klassisch und ganz frisch” klinge (The Observer). Dem Debüt The Soul Sessions, ein Album mit Coverversionen rarer Soulstücke, folgte mit Mind, Body & Soul bereits ein Jahr später das erste Album mit ersten eigenen Songs. 2005 wurde Joss Stone für drei Brit-Awards und drei Grammys nominiert und bei den Brits mit den Preisen als beste weibliche Künstlerin und beste Urban Künstlerin ausgezeichnet. Ein atemberaubendes Duett mit Robbie Williams krönte ihren Auftritt bei der Preisverleihung. In den USA geriet ihr Auftritt bei der Grammy-Show kaum weniger denkwürdig: Gemeinsam mit Melissa Etheridge sang sie ein Tribut an Janis Joplin. Ihre Interpretation von “Cry Baby/Piece of My Heart” avancierte im Anschluss zu ihrem ersten US-Top−40-Hit.
Im Februar 2006 trat sie gemeinsam mit Stevie Wonder, John Legend und India.Arie beim Super Bowl auf, bei den Grammy Awards 2006 sang sie gemeinsam mit Legend und Van Hunt ein Medley mit Soulklassikern von Sly Stone. Immer gut für eine überzeugende künstlerische Verbeugung, ließ sie im selben Jahr bei den UK Music Hall of Fame Awards mit ihrer Version von Dusty Springfields “Son of a Preacher Man” das Haus toben. 2007 folgte mit dem dritten Studioalbum Introducing Joss Stone das Werk, das die Künstlerin als erstes bezeichnete, welches ihre wahre künstlerische Vision repräsentiere. “Das war das erste Album, welches ich wirklich als mein ganz eigenes empfand”, sagt sie rückblickend. Im selben Jahr durfte sie sich bei den Grammy Awards den Preis für die beste R&B Performance mit John Legend und Van Hunt teilen, der ihnen für ihre Interpretation von Sly & the Family Stones “Family Affair” verliehen wurde.
2008 nahm Stone für die Kinoverfilmung von “Sex and the City” Al Greens 1972er Soulklassiker “How Can You Mend A Broken Heart” als Duett auf, indem sie zu den Originalbändern sang. Auch ihr Duett mit Frankreichs Superstar Johnny Hallyday, mit dem sie für dessen Album “Ça ne finira jamais” den Evergreen “Unchained Melody” neu interpretierte, geriet vorzüglich. Am 26. Oktober 2008 wurde Stone die Ehre zuteil, vor dem Football-Match zwischen den San Diego Chargers und den New Orleans Saints im Londoner Wembley Stadion die britische Nationalhymne zu singen. Und am 7. Dezember desselben Jahres sang sie zu Ehren von Pete Townshend und Roger Daltrey bei einem CBS-TV-Special die ultimative Who-Hymne “My Generation” im Kennedy Center von Washington.
Allein die Auswahl der genannten Auftritte ließ mutmaßen, dass Joss Stone ein Weltstar ist, mit Colour Me Free belegt diese moderne Soul-Diva Song um Song, dass sie das Format und die Persönlichkeit hat, diesen Ruf künstlerisch dauerhaft zu zementieren. Get Stoned!