Country-Musik mit jazzigen Improvisationen zu kombinieren, scheint auf den ersten Blick eine genauso geniale Idee zu sein, wie Wasser mit Öl zu vermischen. Wie soll das funktionieren, eine Musik, die – so zumindest das gängige Vorurteil – vorzugsweise von reaktionären Hinterwäldlern (sogenannten Rednecks) gehört wird, mit der Weltoffenheit des Jazz in Einklang zu bringen? Sonny Rollins wusste die Antwort schon vor rund sechzig Jahren: “Man kann über alles improvisieren – Country-Songs, Arien, einfach alles. Das ist es, was den Jazz zur großartigsten Musik der Welt macht. Er ist eine Naturgewalt; er kennt keine Grenzen. Man kann alles verjazzen, über alles improvisieren.” Das bewies er dann 1957 auch prompt auf “Way Out West”, dem ersten Album, das ganz bewusst eine Brücke zwischen Jazz und Country-Musik schlug.
John Scofield ist auf seinem Album “
Country For Old Men” nun noch einen ganzen Schritt weiter gegangen. Denn sein Repertoire besteht – anders als damals das des Saxophonisten – ausschließlich aus Country-Songs.
“Meine Idee für dieses Album war, Country-Songs in Jazznummern zu verwandeln", sagt der Gitarrist, der Anfang
2016 für das
Album “Past Present”seinen ersten Grammy erhielt.
“Da Country-Lieder simpel sind, kann man sie leicht harmonisch verändern… Wir improvisieren, bewahren aber die Integrität, den Charakter und Twang dieser wundervollen amerikanischen Musik.”Für seine Mission tat sich Scofield mit Musikern zusammen, die mit ihm im Laufe der Jahrzehnte schon auf etlichen, stilistisch sehr unterschiedlichen Alben durch dick und dünn gegangen sind:
Pianist/Organist Larry Goldings, E-Bassist Steve Swallow und Schlagzeuger Bill Stewart. Gemeinsam geben sie Songs von u.a. George Jones, Hank Williams, Merle Haggard, Bob Wills, Patti Page, James Taylor, Dolly Parton und sogar Shania Twain eine oftmals überraschende harmonische Rundumerneuerung. Was dabei herauskam, ist dem Titel zum Trotz garantiert keine Country-Musik für alte Männer! Denn Scofield transformiert viele der Vorlagen in durchaus moderne Jazznummern. Als besonderes Schmankerl spielt er dann ganz zum Schluss in sehr traditioneller Weise und solo auf einer Ukulele noch Johnny Mercers Country-Persiflage “I’m An Old Cowhand” ein. Mit derselben Nummer hatte übrigens Sonny Rollins einst sein Album “Way Out West” begonnen, das heute längst als Klassiker gilt. Scofields “Country For Old Men” wird man sicher auch bald dieser Kategorie zurechnen können. “Ich denke, die Stücke funktionieren alle als Jazz”, meint der Gitarrist überzeugt. “Außerdem war ich, als ich die Melodien spielte, wirklich inspiriert ‘countryesk’ zu klingen. Ich war selbst überrascht, wie gut das klappte.”