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John Abercrombie Quartet – Class Trip

John Abercrombie Quartett
© John Rogers / ECM
23.04.2004
Es ist zur Zeit sehr in Mode, den Begriff “jam band” zu benutzen. Aber in Wahrheit gibt es unter all den Bands, die sich derzeit mit dieser Bezeichnung schmücken, nur sehr wenige, denen improvisatorische Frische und Freiheit so sehr im Blut liegen, wie dem Quartett des Gitarristen John Abercrombie.
Nachdem das John Abercrombie Quartet auf seinem ersten Album “Cat’n'Mouse” (ECM 1770) noch Katz und Maus gespielt hat, nimmt es uns diesmal auf Klassenfahrt mit. Und dieser Ausflug ist bei aller Klasse und Sophistication der Musiker, um es salopp auszudrücken, ziemlich irre. Denn das John Abercrombie Quartet schafft es hier, außerordentliche lyrische Anmut und geschmeidige, sich serpentinenartig schlängelnde Rhythmen mit jeder Menge Feuer zu kombinieren… das Resultat ist eine Musik, die einen wirbelnd mitreißt. Und dies nicht nur in dem sehr bildlichen Titel “Swirls”, der eine von Abercrombies acht neuen Kompositionen dieses Albums ist.
Als das John Abercrombie Quartet 2002 sein Plattendebüt “Cat’n'Mouse” gab, erregte es nicht nur durch die ungewöhnliche Instrumentierung mit Gitarre, Violine, Kontrabaß und Schlagzeug Aufmerksamkeit. Karl Lippegaus feierte in der Süddeutschen Zeitung “die Geburt einer großartigen Band”, Ben Ratliff lobte das Album in der New York Times als “Abercrombies bestes seit langem” und Greg Buium brachte seine Begeisterung in Coda mit zwei schlichten Worten auf den Punkt: “prächtig, fesselnd”.
Das John Abercrombie Quartet ist ein improvisierendes Kammerensemble, das seine Wurzeln zwar eindeutig im Jazz hat, dessen Musiker aber im fliegenden Wechsel von Bebop-Phrasen und freien Improvisationen zu vertraut klingenden Folk- und Country-Passagen übergehen können. Sie können im Kollektiv improvisieren oder sogar ein Stück aus der Klassik neu interpretieren – so wie in Abercrombies Arrangement vom “Soldatenlied” des ungarischen Komponisten Béla Bartók. Aber in erster Linie spielen die vier Musiker Stücke aus der Feder Abercrombies. Auf “Class Trip” gibt es davon acht neue, die allesamt dazu dienen, das improvisatorische Können der Band hervorzuheben.
Seit 1974 ist John Abercrombie dem ECM-Label treu verbunden. In diesem Jahr spielte er mit Jack DeJohnette und Jan Hammer sein erstes ECM-Album “Timeless” (ECM 1047) ein. Als “zeitlos” erwiesen sich danach noch viele der mittlerweile 24 Alben, die Abercrombie als Leader oder Co-Leader für ECM aufnahm. In den letzten Jahren ist der Gitarrist auch öfter denn je auf Tournee gegangen: Mal mit seinen eigenen Gruppen, mal als gefeierter Solist des aktuellen Charles Lloyd Quartet (“Voice In The Night”/ECM 1674, “The Water Is Wide”/ECM 1734, “Hyperion With Higgins”/ECM 1784 und “Lift Every Voice”/ECM 1832/33). Auch mit dem (zusammen mit Dave Holland und Jack DeJohnette) wieder formierten Gateway-Trio, das zwei neue Alben für ECM einspielte (“Homecoming”/ECM 1562 und “In The Moment”/ECM 1574), begeisterte Abercrombie vor wenigen Jahren das Jazzpublikum dies- und jenseits des Atlantiks. Darüber hinaus konnte man den Gitarristen immer wieder in den verschiedensten Formationen des Trompeters Kenny Wheeler erleben und zwischendurch auch mal Seite an Seite mit seinem alten Freund Ralph Towner. Zuletzt erschien von Abercrombie bei ECM die “:rarum”-Kollektion (ECM 8014), auf der man die beständige musikalische Entwicklung dieses einzigartigen Künstlers sehr gut nachvollziehen kann.
Violinist Mark Feldman und Schlagzeuger Joey Baron sind vielleicht am besten bekannt für ihre Beteiligung an zahlreichen Projekten des aberwitzigen Altsaxophonisten John Zorn und für das Zusammenspiel mit anderen Größen der sogenannten New Yorker Downtown-Szene. Doch ihr musikalischer Horizont reicht weit über die Grenzen der New Yorker Jazz-Avantgarde hinaus.
So ging Feldman z.B. mehrfach mit der Saxophonlegende Pharoah Sanders auf Tournee und war Mitglied von Trompeter Dave Douglas' gefeierter Band Charms Of The Night Sky sowie dem Arcado String Trio. Als Sideman arbeitete der Violinist u.a. auch mit Lee Konitz und Muhal Richard Abrams. Sechs Jahre lang lebte er in Nashville, wo er sich in der Country-Szene einen exzellenten Ruf als Sessionmusiker erspielte und mit Größen wie Willie Nelson, Johnny Cash und Jerry Lee Lewis das Aufnahmestudio teilte. Auch Feldmans Reputation als Komponist sollte nicht verschwiegen werden: Diese unterstreicht nicht zuletzt der Kompositionsauftrag, den ihm das bekannte Kronos Quartet erteilte. Feldman war zuletzt gemeinsam mit dem Cellisten Erik Friedlander auf Sylvie Courvoisiers Doppelalbum “Abaton” (ECM 1838/39) zu hören.
Schlagzeuger Joey Baron, der bereits mit Bill Frisell und Steve Kuhn Aufnahmen für ECM machte, arbeitete wiederum sehr viel mit Sängerinnen und Sängern wie Carmen McRae, Mark Murphy und Laurie Anderson zusammen. Als Begleiter von Jim Hall, John Scofield, Red Rodney, Fred Hersch und Randy Brecker spielte er lupenreinen Straightahead-Jazz. Auch an der Einspielung von Marc Johnsons überaus erfolgreichem Verve-Album “The Sound Of Summer Running” (Verve 539 299–2), das die beiden Gitarristen Pat Metheny und Bill Frisell featurete, war Baron beteiligt. Und auch mit seinen eigenen Band begeistert der Schlagzeuger die Jazzwelt immer wieder.
Bassist Marc Johnson trat ins internationale Rampenlicht, als er 1977 – erst 24jährig – Mitglied des Bill Evans Trios wurde. Er spielte mit dem Pianisten bis zu dessen Tod im Jahre 1980 zusammen. Ein ganzes Jahrzehnt lang bildete Johnson danach mit Abercrombie und Schlagzeuger Peter Erskine ein Trio, das für ECM vier Alben machte. Mit seiner 1984 gegründeten Gruppe Bass Desires (in der Besetzung mit zwei Gitarristen – Bill Frisell und John Scofield – plus Schlagzeuger Peter Erskine ein Vorläufer der Band von “The Sound Of Summer Running”) erregte Johnson Mitte der 80er Jahre immense Aufmerksamkeit. Die beiden ECM-Alben des Quartetts, “Bass Desires” (ECM 1299) und “Second Sight” (ECM 1351), gelten mittlerweile als absolute Klassiker des modernen Jazz. Wenn Johnson und Baron nicht mit Abercrombie oder ihren eigenen Bands auf Tournee sind, begleiten sie momentan häufig den Pianisten John Taylor, einen weiteren ECM-Künstler.
Im Mai werden Abercrombie, Feldman, Johnson und Baron auf “Klassenfahrt” durch Europa gehen und Konzerte in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich und Italien geben.

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