Die Szene wurde zum Klassiker der Filmgeschichte: Privatdetektiv John Shaft tritt aus einem U-Bahnschacht und läuft durch Manhattan, die Kulisse: das New York der frühen 1970er. Ein aggressiver Taxifahrer (inspirierte er gar Martin Scorsese?) pöbelt herum, ein Typ an der Ecke will Shaft eine gestohlene Uhr verkaufen. Ohne die Filmmusik wäre diese Eröffnungsszene von “Shaft” allerdings ein ziemlich blasses Intro. Mit “Theme from Shaft” gewann Isaac Hayes (als erster afroamerikanischer Komponist) einen Academy Award, der Titel wurde zur Hymne des so genannten “Blaxploitation”-Genres. Drei Minuten, die Hayes an die Spitze des Ruhms katapultierten (den Rest des Films kann man sich notfalls sparen).
Eigentlich hatte ihn Regisseur Gordon Parks für die Hauptrolle vorgesehen. Wahrlich keine schlechte Idee, denn Hayes mit seiner Gladiatorenfigur, seinem polierten Schädel und seinen Insekten-Sonnenbrillen hätte Richard Roundtree die Show gestohlen, wie man sich angesichts von Hayes´ späterer Performance in “Truck Turner” (1974) vorstellen kann. Samuel L. Jackson, der 2000 die Hauptrolle in John Singletons Shaft-Remake spielte, sparte sich auch die Afro-Perücke und imitierte dafür komplett den Hayes-Look. Sei es modisch, sei es musikalisch: mehr Nachahmer als Ike hatte kein James, kein Marvin und kein Curtis. | Dabei rutschte der Mann, der sowohl Barry White und R. Kelly als auch Massive Attack den Weg zeigte, eher zufällig ins Showbusiness. Anfang der 1960er begann der Autodidakt seine Karriere. 1964 verschlug es ihn in Memphis in die Hausband des Stax-Labels. Gemeinsam mit David Porter schrieb der damalige Keyboarder und Saxofonist dann einige die größten Hits der frühen Stax-Phase: “Hold On, I´m Coming”, “Soul Man”, “B-A-B-Y”, “When Something Is Wrog With My Baby”. Als es zum Ende der 60er mit Stax bergab ging (siehe auch PURE-Thema “Sweet Soul Music”) stellte Hayes als Testosteron-Bariton und Solokünstler neue Weichen. Das Triumvirat seiner LPs “Hot Buttered Soul” (1969), “Shaft” (1971) und “Black Moses” ist ein Höhepunkt der Musikgeschichte. Dem Zeitgeist folgend, etablierte der profilierte Soulsongschreiber dort als einer der ersten R&B-Künstler lange epische Formen mit cinematografischen Soundkulissen. Seine Songs dieser Zeit sind Road Movies (“By The Time I Get To Phoenix”).
Einige Jahre später, nachdem er im Streit bei Stax ausgeschieden war, nahm Hayes – ob man das nun gut findet oder nicht – die Disco-Welle vorweg, auf Alben wie “Disco Connection” und “Groove-A-Thon”, die allerdings nicht an das Charisma seiner Arbeit davor heranreichten. Dann wurde es erst einmal still um den Lebemann, 1986 flackerte mit dem Album “U Turn” und der Top 10-Single “Ike´s Rap” noch ein kleines Comeback auf, bevor sich Ike wieder mal auf sein Talent als Schauspieler besann (und später Alicia Keys auf ihrem Debüt “Songs in A Minor” unterstützte). Seine Gabe, sich selbst neu zu erfinden, bewies er als Kochcharakter in “South Park”. Der Gastauftritt etablierte ihn zum Dauerbrenner der Serie, und der Unverwüstliche erreichte eine neue Generation, bevor er es war, der sich 1997 aus “religiösen Gründen” – Hayes war bei Scientology eingetreten – von “South Park” verabschiedete. Ironischerweise machte er dann im wirklichen Leben ein Restaurant auf, einen Soul-Food-Nachtclub in Memphis, der vor kurzem Pleite ging und schließen musste. Wirklich schlimm wird das für Hayes, der 2002 in die Rock´n´Roll Hall of Fame und 2005 in die Songwriters Hall of Fame einzog, nicht gewesen sein. Derzeit konzentriert er sich wieder auf seine Musikkarriere: zum Relaunch des Stax-Labels soll demnächst ein neues Album des Über-Soul-Crooners erscheinen.