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Giuseppe Sinopoli – Beethoven & Bruckner: Sinfonische Pracht

19.04.2006
Als Giuseppe Sinopoli vor fünf Jahren überraschend starb, war es für die Klassikwelt wie ein Schock. Schließlich hatte sich der venezianische Maestro zu einer der führenden Gestalten der Konzertwelt entwickelt, dessen Arbeit sowohl das Orchester der Deutschen Oper Berlin als auch die Sächsische Staatskapelle an die Spitze der internationalen Wertschätzung geführt hatte. Zum Glück wurden viele Beispiele seiner Dirigierkunst seinerzeit von der Deutschen Grammophon für die Nachwelt festgehalten. Und so kann man in diesem Frühjahr anhand von zwei markanten Aufnahmen nachvollziehen, warum Sinopoli zu den beliebtesten Pultstars seiner Generation gehörte.
Im Jahr 1826 begründete Hofkapellmeister Francesco Morlacchi in Dresden eine neue Tradition. Denn in der vorangegangenen Saison waren die seit 1730 regelmäßig in der Karwoche aufgeführten Passionsoratorien in der katholischen Hofkirche abgesetzt worden und so entstand Raum für neue Aktivitäten. Morlacchi regte an, ein Palmsonntagskonzert einzuführen, dessen Erlös den Witwen und Waisen der Kapellmitglieder zukommen sollte. Die Idee erwies sich als tragfähig und so entwickelte sich zunächst eine lose Tradition von Aufführungen, die in Abständen von zwei bis fünf Jahren durchgeführt wurden. Das änderte sich jedoch mit den Auftreten Richard Wagners. Er war 1843 auf Molacchis Posten gekommen und regte nun an, an diesem Termin Beethovens Neunte zu präsentieren. Es war ein riskantes Unterfangen, galt die Chorsinfonie des klassischen Meisters doch noch immer als ungewöhnliches Werk, dessen Erfolg beim Publikum keineswegs garantiert war.
 
So kamen Bedenken von Seiten des Pensionsfonds, der finanzielle Einbußen befürchtete. Aber Wagner ließ nicht locker, instruierte persönlich das Ensemble mit derartiger Energie, dass es im Jahr 1846 zu einer Aufführung in Pöppelmanns Großem Opernhaus am Zwinger kam, die die Menschen überwältigte. Von da an gehörte die Neunte zum Standard der Palmsonntagskonzerte und wurde von 1900 an sogar alljährlich an diesem Termin aufgeführt. Und so konnte auch Giuseppe Sinopoli an diese große Tradition anschließen, als er im März 1996 sich mit der Staatskappelle Dresden und Solisten wie der Sopranistin Solveig Kringelborn und dem Tenor Thomas Moser dem opulenten Meisterwerk zuwandte. Der Applaus war gewaltig und angemessen für eine Interpretation, die Pathos und Vitalität gleichermaßen verinnerlicht hatte.

Ebenfalls mit der Staatskapelle Dresden, wenn auch ein knappes Jahrzehnt früher, entstand eine weitere ausgezeichnete Aufnahme unter der Leitung von Giuseppe Sinopoli. Diesmal hatte er sich einem anderen gewaltigen Symphoniker zugewandt, der mit seiner Vierten Symphonie unerwartet den Durchbruch beim Publikum geschafft hatte. Denn im Anschluss an die Uraufführung des Werkes am 20. Februar 1881 in Wien konnte Anton Bruckner in einer Gazette der Stadt lesen: “Das Publikum und zwar das ganze, nahm die Symphonie mit ungeteiltem Enthusiasmus auf. Bruckner schlug glänzend durch, er gehört seit dem verflossenen Sonntag zu unseren bedeutendsten Tonschöpfern und ist unser künstlerisches Gemeingut geworden”.
 
Damit war es dem ständig von Minderwertigkeitskomplexen geplagten Bewunderer Richard Wagners gelungen, einen eigenständigen Stil in der Wahrnehmung seiner Zeitgenossen zu kreieren, der wiederum seitdem zu den Herausforderungen für Dirigenten und Orchester gehört. Sinopoli widmete sich der vierten Symphonie, die auch den Beinamen “Romantische” trägt, gemeinsam mit der Staatskapelle Dresden mit der für ihn typischen Mischung aus Analyse und Emotion. Die besondere Einheit der Themenbildung, die Ausgewogenheit der musikalischen Mittel, die die Schroffheiten und harten Kontraste früherer Werke vermied, wurde von ihm in einen stimmigen Fluss der Motive verwandelt, der ein gutes Jahrhundert nach der Uraufführung die Begeisterung von Bruckners Zeitgenossen für dieses Werk auch in der Gegenwart nachvollziehbar macht.

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