“In nicht eben vielen Dichtungen wird so intensiv dem Verhältnis des Menschen zum Tode nachgegangen wie hier. Nicht wird der Tod in die Abseite steriler Kliniken verdrängt, hier wird der Sinn des Lebens am Sinn des Todes deutlich; hier wird der Mensch mit seinen Urängsten konfrontiert, werden Krankheit, Schmutz und Hässlichkeit beschrieben. Aber eben nicht allein.” Eckart Kleßmann
Der Tagebuchroman “Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge” lässt an vielen Stellen Teile Rilkes eigener Biographie durchschimmern. So hat er sich in den ersten Jahren des vergangenen Jahrhunderts intensiv mit Skandinavien befasst, und verbringt 1904 ein knappes halbes Jahr in Schweden. Außerdem bemüht er sich in dieser Zeit, die dänische Sprache zu erlernen – u.a., um Kierkegaard im Original lesen zu können. Direkte biographische Bezüge hingegen drängen sich auf, wenn sich der 28-jährige Romanheld Malte Laurids Brigge erinnert: “Es fiel uns ein, dass es eine Zeit gab, wo Maman wünschte, dass ich ein kleines Mädchen wäre und nicht dieser Junge, der ich nun einmal war.” Schließlich wurde auch Rainer Maria Rilke (1875 −1926) von seiner Mutter bis zu seiner Einschulung als Mädchen aufgezogen wird – mit Puppen, Kleidern und Zöpfen. Aber auch seine Erfahrungen als Privatsekretär Auguste Rodins in Paris in den Jahren 1905 und 1906 dürften in diesen einzigen Roman Rilkes eingeflossen sein. Statt einer durchlaufenden Handlung ranken sich bruchstückhafte Erinnerungen, Eindrücke und Reflexionen um das Leitmotiv der Angst vor Tod, Krankheit und Vereinsamung.