Am 25. März 2007 wurde Yusuf alias Cat Stevens auf der Echo-Verleihung für sein Lebenswerk geehrt. Laudator Thomas Gottschalk bezeichnete ihn als „Brückenbauer zwischen dem Westen und der islamischen Welt”. Das ganze hatte schon im Vorfeld der Veranstaltung für Verärgerung unter einigen Musikmanagern gesorgt. Im Jahr 1989, vor 18 Jahren nämlich war Yusuf in die Schlagzeilen geraten. Durch ungeschickte Äußerungen hatte er den Eindruck erweckt, die Fatwa gegen Salman Rushdie zu unterstützen. Yusuf widerrief. In den Neunzigern engagierte er sich für Hilfsprojekte unter dem Dach der Vereinten Nationen. 2003 erhielt er den “World Social Award”. Und trotzdem haben zahlreiche deutsche Medien gerade einen Skandal daraus gemacht, dass Yusuf mit dem deutschen Pendant zum amerikanischen Musikpreis Grammy geehrt wurde. Wahrscheinlich kennt keiner der verantwortlichen Redakteure sein neues Album “An Other Cup”, das erste Popalbum, das er in 28 Jahren aufgenommen hat. Selbstgefällig ignoriert man (im Land mit der größten Zuwachsrate islamischer Konvertiten) die Biografie des einstigen Cat Stevens. Grund genug für PURE, an dieser Stelle ein Porträt des Komponisten von “Morning Has Broken”,"Wild World" und “Father and Son” zu publizieren. Für alle die sich in die Zeit von Cat Stevens zurücksehnen, hier ein rares Musikvideo:
Die Suche nach dem Sinn des Lebens gehörte in den Swinging Sixties und den Glittering Seventies nicht nur in Pop-Musik-Kreisen zum guten Ton: Während die Beatles, die Beach Boys und Donovan ernsthaft mit der transzendentalen Meditation von Yogi Maharishi Mahesh liebäugelten, lebte Carlos Santana weiß gekleidete Askese nach Guru Sri Chinmoys Lehren, propagierte Who-Spiritus Rector Pete Townshend die eigensinnigen Philosophien des indischen Weisheitsspezialisten Meher Baba und der ehemalige Protestbarde Bob Dylan wechselte gleich mehrmals Religionen und Weltanschauungen. Ließ zuletzt allerdings offen, ob er sich nun im Judentum, der Christenheit oder als agnostischer Freidenker verankert sieht.
Ganz anders hingegen der britische Künstler Cat Stevens. Nachdem er 1975, auf der Höhe seines Ruhms als sanfter Folk-Poet, vor der Küste Malibus beinah ertrunken wäre, konvertierte er nach der intensiven Lektüre des Korans 1977 zum Islam und entsagte zwei Jahre später endgültig dem weltlichem Dasein und seiner erstklassigen Reputation als Interpret, Musiker und Komponist.
Zweieinhalb Dekaden zog der sich nun offiziell Yusuf Islam nennende, hauptsächlich in der Londoner Moslem-Gemeinde wirkende Sohn eines Griechen aus Zypern und einer Schwedin, spirituelle Zurückgezogenheit Konzertarenen und Aufnahmestudio vor – seinem Mythos schadete diese selbstgewählte Zäsur nicht.
Seit 28 Jahren sich künstlerisch ausschließlich mit religiösem Songmaterial präsentierend – zwischen 1995 und 2004 erschienen immerhin sieben von der islamischen Kultur geprägte Alben -, spielte der Vater von fünf Kindern jüngst ein neues Pop-Album ein. Parallel liegt mit dem luxuriösen 4-CD-Box-Set ON THE ROAD TO FIND OUT eine neu aufgelegte Karriere-Retrospektive vor. Aus umfangreichem Backkatalog wählte das am 21. Juli 1948 in London geborene Multitalent im Gespann mit den Produzenten Bill Levinson und Daniel Gordon 79 Tracks aus, die nicht nur die künstlerische Historie von Cat Stevens in zeitlicher Chronologie erzählen, sondern auch Höhen und Tiefen eines ewig Suchenden beleuchten, der sich in der vergangenen Dekade hauptsächlich bei Hilfsprojekten der Vereinten Nationen engagierte und 2003 mit dem World Social Award ausgezeichnet wurde. | Stimmig unterteilt in vier Segmente – The City – The Search – The Hurt – The Last – und ergänzt um ein 96-seitiges Booklet mit zahlreichen raren Fotos und selbstverfassten Notizen lässt sich die erstaunliche Lebensgeschichte, aber auch religiöse Selbstfindung von Steven Demetre Georgiou, wie Cat Stevens bürgerlich heißt, im Zeitraffer nachvollziehen: Begonnen hat die Karriere des Barden, der mitten im Herzen von Londons Amüsierviertel Soho aufwuchs, nämlich gleich zwei Mal. 1967 war der gerade 18-Jährige urplötzlich mit gleich drei erstklassigen Pop-Vignetten, “I Love My Dog”, “Matthew & Son” und “I’m Gonna Get Me A Gun”, ins Rampenlicht gerückt. Er lieferte parallel Hits für The Tremeloes (“Here Comes My Baby”) und P.P. Arnold (“The First Cut Is The Deepest”). Letzteres war eine Ballade, die später von Rod Stewart und Olivia Newton-John interpretiert wurde und mittlerweile gar Evergreen-Status inne hat. Doch der schnelle Aufstieg mit zwei Longplayern (“Mathew And Son”, “New Masters”) und diversen weiteren Single-Hits endete 1968 abrupt im Sanatorium: Stevens erkrankte an offener Tuberkulose und musste ein Jahr lang zwangspausieren.
Die schicksalsgeprägte Notbremse bewirkte beim angehenden Pop-Star eine innerliche wie auch äußerliche Wandlung. Nach Genesung verabschiedete er sich vom Image des quirligen Hitparaden-Stürmers, wechselte von Deccas Sub-Label Deram zur progressiven Independent-Firma Island und ließ sich, um seine dramatische Veränderung auch optisch sichtbar zu machen, lange Haare wachsen und einen Bart stehen. Statt orchestral-pompöser Chart-Hits begann er introspektive Songs wie die Ode an eine zutiefst unglückliche Liebe zu Modell und Schauspielerin Patti D’Arbanville (“Lady D’Arbanville”), das Remake eines altenglischen Kirchenliedes (“Morning Has Broken”) oder auch das den Generationenkonflikt beleuchtende “Father And Son” zu produzieren. Und er gestaltete höchstselbst die gemalten Cover seiner ab 1970 kontinuierlich folgenden Singer/Songwriter-Epen, darunter Albenklassiker wie “Mona Bone Jakon'”, “Tea For The Tillerman” und “Teaser And The Firecat” .
Cat Stevens war in einem neuen künstlerischen Lebensabschnitt angekommen. Äußerst produktiv bestimmte ein nicht versiegendes Füllhorn an zeitlosem Songmaterial die folgenden Jahre: Anspruchsvolle Konzeptwerke wie “Catch Bull At Four” (‘72), “Foreigner” (’73) und “Buddha And The Chocolate Box” (‘74) enthielten neben epenhaften Songsuiten zwischen orchestraler Eleganz, arythmischer Sprödheit und exotischen Ethnoelementen, immer wieder auch Pop-Meisterwerke wie “Wild World”, “Moon Shadow”, “Oh, Very Young”, “Can’t Keep It In” und “Peace Train”, die sich in den Single-Charts beiderseits des Atlantiks auf vorderen Rängen platzieren konnten. Der Erfolgszyklus setzte sich mit noch komplexer arrangierten Spätwerken wie “Numbers” (’75), “Izitso” (‘77) und “Back To Earth” (’79) fort, die bei näherem Blick den Übergang zu einer weiteren, nicht weltlichen Metamorphose bereits erkennen ließen. | Während all' dieser erfolgreichen Jahre veröffentlichte das Ausnahmetalent Cat Stevens nur ganze drei Songs, die nicht aus der eigenen Feder stammten: “Another Saturday Night”, einstmals ein Hit des 1964 verstorbenen Soulsängers Sam Cooke, ein Soundcheck-Favorit Stevens, der es Mitte der Siebzigerjahre auf einen Konzertmitschnitt und eine Best Of-Kompilation schaffte, das schon erwähnte Sakral-Traditional “Morning Has Broken” (arrangiert übrigens vom späteren Yes-Keyboarder Rick Wakeman) sowie die allererste Single “I Love My Dog”. Komponiert wurde diese Ode an den geliebten Vierbeiner nämlich ursprünglich von Jazzlegende Yusef Lateef. Stevens hatte die Noten, wie er im Booklet reumütig gesteht, unerlaubt verwendet und erst nach seinem Übertritt zum Islam sein Fehlverhalten eingestanden.
Die vier vollgepackten Silberlinge des CD-Box-Set ON THE ROAD TO FIND OUT offerieren noch mehr Preciosen: Erstmals gab der Künstler sein OK für rund zwei Dutzend Archiv-Raritäten. Darunter unveröffentlichte Demos, seltene Konzert-Mitschnitte, diverse Single-B-Seiten, ein früher Gastauftritt vom noch unbekannten Elton John sowie die beiden lange vergriffenen Soundtrack-Beiträge zum Programmkinorenner “Harold & Maude”: “Don’t Be Shy” und “If You Want To Sing Out Sing Out”.