Blumengarten
“ich liebe dich für immer”
Album-VÖ: 28.03.2025
Sänger Rayan Djima und Produzent Sammy Eickmann aka Blumengarten sind binnen kürzester Zeit zum festen Bestandteil und Aushängeschild der deutschen Progressive-Pop-Bubble gewachsen. Am 28. März 2025 legt das Duo mit »Ich liebe dich für immer« endlich sein Debütalbum vor. Es gleicht einem musikgewordenen Ratgeber für den Umgang mit der eigenen Vergangenheit; und einem versöhnlichen Aufruf, ewig Kind zu bleiben.
Wer in die Augustsonne blickt und dabei die Augen schließt, kann das hellste, wärmste, flimmerndste Orangerot sehen, das es gibt. Eben jenes Orangerot hat dem Indiepop-Duo Blumengarten im Entstehungsprozess seines im März 2025 bei Universal Urban erscheinenden Debütalbums »Ich liebe dich für immer« als atmosphärische Orientierung gedient. Der Farbton ist nicht nur dominant auf dem collagenartigen Plattencover verewigt und prominent in das zum Album gehörende Bewegtbild integriert – er ist auch ins Soundbild eingeflossen. »Ich liebe dich für immer« klingt so behaglich wie interstellar, klingt verspielt-infantil, klingt vieldimensional, klingt feierlich – und zu jeder Zeit hell und warm und flimmernd. Das liegt selbstverständlich auch am thematischen Rahmen der Platte. »Ich liebe dich für immer« erzählt in dreizehn Akten vom rasenden Fluss der Zeit; vom inneren Kind, vom Streben nach ewiger Jugend, vom Älterwerden – auch vom Friedensschluss mit der Vergangenheit, mit Phasen des Scheiterns. Es handelt von Zuhause-Gefühlen, Ewigkeitsversprechen und ultravioletter »Nostalgie«; vom Miteinander, vom Durchstehen dunkelschwarzer Phasen, vom Bedürfnis, den Sommer nicht vergehen lassen zu wollen. Und es gibt Tipps – für das Überleben zwischenmenschlicher, geografischer und inwendiger Trennungsprozesse.
Es hätte keinen authentischeren Rahmen geben können – für die erste vollwertige LP eines Zweigespanns, das den Begriff ‚Authentizität‘ geradezu personifiziert. Blumengarten, das ist unkünstliche Kunst in Reinform. Das ist eine Art gutes Gefühl, eine verspielte Intuition, ein emotionale Entblößung ohne Sieb, ohne Kalkulation, ohne Hintergedanken. Das ist der Charme einer spontanen Lagerfeuer-Jam, das ist eine Utopie, die kein Manifest braucht – laut in ihrer Sensitivität, schrill in ihrer Sanftheit, verträumt in ihrer Vehemenz, trippy in ihrem Präzision. Blumengarten, das ist eine zwischen Woodstock, Bullerbü und wuseliger Großstadt beheimatete Welt; das ist Mut zur radikalen Zärtlichkeit, zum irrational positiven Denken, zur kindlichen Fragilität – »Kann mir jemand sagen, wie die Welt ich dreht? Da ist so viel, was ich noch nicht versteh’«. Blumengarten, das sind große Balladen in Kleinbuchstaben; das ist viel sagen, ohne viel zu sagen – und »Ich liebe dich für immer« nicht als Floskel, sondern grenzenlos ernst meinen. Blumengarten, das ist der Versuch, Momente einzufangen; das ist der unperfekt-perfekte erste Take.
Blumengarten, das ist auch ein zwischenmenschliches Match, eine bemerkenswerte Fusion, ein ungleiches Paar. Auf der einen Seite: Der Vollblutmusiker Sammy Eickmann, der sich zwischen Gitarrenunterricht und Notenlehre schon im Jugendalter das Arrangieren und Produzieren beigebracht hat. Auf der anderen: Der Bauchgefühl-Sänger Rayan Djima, der bis vor dreieinhalb Jahren weder Musik gemacht noch Texte geschrieben noch auf einer Bühne gestanden hat. Genau zu dieser Zeit – in Laufe des Kalenderjahres 2021 – haben Blumengarten angefangen, sich im elterlichen Keller zu treffen und ihren Weltschmerz in kraftspendende Lieder umzuformen. Gekannt haben sich die beiden schon vorher: Rayan und Sammy sind in Velbert – einer aschgrauen Kleinstadt zwischen Rheinland und Ruhrgebiet – aufgewachsen, haben sogar zusammen Abitur gemacht. Ihre Freundschaft wuchs – auch wenn das in Anbetracht ihrer spürbar innigen Verbundenheit kaum vorstellbar ist – dennoch erst vor wenigen Jahren; eben im Zuge des gemeinsamen Projekts Blumengarten.
Absurderweise lagen zwischen der ersten Probe und den frühen Anzeichen eines kaum fassbaren Hypes nur wenige Monate. Als im Sommer 2022 die erste, lediglich aus drei Songs bestehende und wenig später von der »paris syndrom (dach session)« mit Paula Hartmann abgerundete Blumengarten-EP »sag deinen freunden, dass du sie liebst« erschien, war über Nacht nichts mehr mehr wie vorher. Rayan und Sammy – inzwischen in Köln lebend – hatten auf einmal Fans, ernteten frenetischen Applaus von Casper und wurden mit offenen Armen in die deutsche Indie-Pop-Rap-Avantgarde aufgenommen. Auf die zweite EP »versprochen, alles wird gut« folgten Auftritte bei Late Night Berlin und im ZDF Magazin Royale und gemeinsame Songs mit Cro, 01099, Trettmann und Apsilon. Blumengarten haben – und das, ohne es jemals darauf angelegt zu haben – hochkarätige Preise gewonnen, Spotify-Streams im zweistelligen Millionenbereich eingeerntet, haben seit 2022 zwei üppige Festivalsommer und zwei ausverkaufte bis hochverlegte Tourneen gespielt. Für ein vollwertiges Album blieb zwischen der ausgedehnten Liedersammlung »Schönheit die in Schmerzen liegt« und etlichen alleinstehenden Singles bisher keine Zeit – zumindest nicht für eines, das Rayans und Sammys Vorstellungen gerecht geworden wäre.
Die beiden hatten größten Respekt vor dem Medium Album; Sie haben sich Zeit gelassen, für dieses Projekt – immerhin wurde ihr Musikverständnis von Klassikern Marke »nostalgia, ULTRA.« geprägt. Eben jene Frank-Ocean-LP erwähnen Blumengarten sogar sehr prominent – im Titeltrack »Ich liebe dich für immer«, der bereits im Juli letzten Jahres als erste Vorab-Single des Album erscheinen ist. Mit »Daheim«, »Supernova« und dem Symba-Feature »Verloren in der Welt« folgten zuletzt weitere Auskopplungen, die den Charakter des nahenden Albums immer präziser umrissen. Wer das musikalische Feuerwerk »Supernova« gehört hat, kann es sich längst vorstellen: »Ich liebe dich für immer« klingt deutlich voller, breiter, weitschweifiger, hymnischer, cineastischer, auch Band-esker als alle früheren Blumengarten-Releases. Die LP treibt die analoge wie digitale, von Gitarren, Synths und Bläsern ummantelte Genrekreation Blumengarten auf eine neue Spitze. Sie eröffnet Räume für großspurige Experimente, eigenwillig-wolkige Arrangements und große Pop-Momente, ist ein bisschen Indie, ein bisschen RnB, ein bisschen Folk, ein bisschen Lo-Fi und ein bisschen Soul.
Man könnte es auch so formulieren: »Ich liebe dich für immer« ist das Summarium aller Erfahrungen, die Rayan und Sammy während ihres steilen Aufstiegs gesammelt haben; und das Ergebnis einer langen Reise. Sie begann – während einer zweimonatigen Phase, in der Rayan im bandeigenen Studio wohnte – in Köln und führte über eine Hütte in der Eifel mehrmals nach Berlin und München; genauer: In die Studioräumen von Markus Ganter, Bazzazian, Sascha ‚Busy‘ Buehren und Menachem Merrari Joel Kerner. Der wichtigste Zwischenstopp war jedoch mit einem Umweg ins Pariser Umland verbunden – nach Les Michettes. In diesem abgeschiedenen Örtchen ist »Ich liebe dich für immer« während eines Bandausflugs im Frühjahr 2024 zu »Ich liebe dich für immer« geworden. Mit dabei: Stammproducer NONI, Multiinstrumentalist Sam Moran, Bassistin Sophie Chassée und Drummer Valtenin Brummer – also die komplette, längst zum festen Bestandteil der Familie gewordene Blumengarten-Liveband.
Zurück zum Albumsound: »Ich liebe dich für immer« atmet maximal verzerrte, frenetisch quirlende Chorteppiche und wuchtige Hammond-Riffs, kombiniert elektronisches Gestampfe mit Trap-Hi-Hats und schepperigem Schlagzeugspiel, lässt akustisches Gitarrengezupfe auf Gameboy-artige Synth-Sounds treffen. Stets im Vordergrund des Geschehens: Rayan Djimas helle, tenorige, mal kraftvoll flatternde, mal feinbesaitet-schluchzende, aber in jedem Fall markante und tragende Gesangsbögen. Sie sind der Klebstoff, der jede noch so Phasenspiel-artige Song-Dramaturgie auf »Ich liebe dich für immer« zusammenhält – und davon gibt es viele. Schon der für Blumengarten enorm bedeutsame Opener »Erinnerung« gleicht einem sakral flirrenden wie klangschönen Wechselbad. Bevor sich der Song in einem epischen Finale zuspitzt, kommt es zu einem waschechten Full-Circle-Moment: Mit Sido erhebt ein Featuregast seine Stimme, dessen legendärer Erinnerungssong »Bilder im Kopf« für Rayan und Sammy maximal prägend war.
Es folgt, zum Beispiel: Die mutmachend-umarmende Autotune-Oszillation »Sonne im August«. Oder der legere, von einem Metronom begleitete, Liebeskummer-zerberstende Wechselsang »Tut es noch weh« mit Kasi und Antonius. Und der bittersüße, in seinem Verlauf von zornigen Grunge-Gitarren durchsetzte Krisenhymnus »Träum von Dir«. Auf die bedächtig-balladeske Ode auf das Scheitern »Wer wäre ich dann jetzt« folgt »Die Stadt verblasst« mit Apsilon – ein bildgewaltiges Zurückkommen an die längst bröckelnden, ergrauten Orte der Kindheit. Das düstere, gedichtartige Interlude »Nostalgie«, in dem Don Gaspar Ali ans Mikrofon tritt, läutet den eindringlichen Siebenminüter »Dunkelschwarz« ein. Dieses rührende wie fordernde, vielphasige Stück Musik schließt den Kreis, den »Erinnerung« zu Beginn der Platte geöffnet hat – und hält, bevor es in einem orchestralen Finale zerstäubt, einen gewichtigen Schlussappell bereit: »Von all den Dingen, die du hast, nimmst du nichts mit in dein Grab / Doch die Erinnerung lebt für immer«. Wenn Blumengarten so etwas singen, dann hat das Gewicht.