Anoushka Shankar | News | Sitar-Spielerin Anoushka Shankar reflektiert auf ihrem neuen Album "Land Of Gold" die Weltstimmung

Sitar-Spielerin Anoushka Shankar reflektiert auf ihrem neuen Album “Land Of Gold” die Weltstimmung

Anoushka Shankar
© Jamie-James Medina / DG
31.03.2016
Eine Sitar tänzelt im musikalischen Zwielicht. Ein Cello antwortet wehmütig in Moll. Ein voranpeitschender 6/8-Takt läuft vor einem dramatischen orientalischen Motiv davon. Wellenartige Piano-Arpeggios, nichts als Weite und Horizont. Stille, ein verhalten angeschlagenes steeldrumähnliches “Hang” sucht einen Weg. Entschlossene Töne auf dem indischen Rohrblattinstrument Shehnai gehen der Ungewissheit entgegen. Dann die Grenze, viele Stimmen, knackendes Holz…

Inmitten der Produktion holte Anoushka Shankar die Flüchtlingskrise ein

Während Anoushka Shankar bereits die ersten Aufnahmen ihres vierten Studio-Albums für Deutsche Grammophon machte, schlugen ihr die Berichte derart stark und unmittelbar entgegen, dass die Sitar-Virtuosin, Komponistin und zweifache Mutter sie nun thematisiert hat. Hoffnung, Schmerz, Trost, Verletzbarkeit, Verlust, Wut und Liebe klingen aus “Land Of Gold”, mit dem Ravi Shankars talentierte Tochter erneut ihren Mut zum Kontrast beweist, Stimmungen eines Menschen oder vieler Menschen auf der Flucht: Auf dem Boot. Inmitten einer Menge die Grenze überquerend. An der Hand oder auf dem Rücken die Kinder.

Auf “Land Of Gold” kehrt Shankar zurück zum persönlichen modernen Stilmix

Anoushka Shankar ist eine Wanderin zwischen den Welten. Ihr letztes Album “Home” bewegte sich heimelig in der klassischen indischen Musik. Dort ist die Musikerin, die mit 9 bei ihrem legendären Vater und Guru studierte und mit 12 erstmals auftrat, ja zu Hause. Indes, die für fünf Grammys Nominierte hat seit Karrierebeginn verschiedene Lager in ihrem Publikum vereint – die Raga-Puristen mit den Weltmusikliebhabern, die Elektronik- und die anspruchsvollen Pop-Fans. “Land Of Gold” ist wieder so ein freigeistig kreatives Studio-Album von ihr, auf dem sie, unterstützt von großartigen Kollaborateuren, musikalische Genres wie Jazz, Hip Hop, Elektronik, indische Klassik und klassischen Minimalismus vereint. Als die Medien sie 2011 mit ihrem Album “Traveller” in die Flamenco-Schublade steckten, zuckte sie lächelnd mit den Achseln. Das vorletzte, von Nitin Sawhney produzierte- und mit ihrer Halbschwester Norah Jones eingespielte “Traces Of You” stürmte Platz 1 der US-amerikanischen World-Music-Charts. Hier bricht sie den stilistischen Rahmen nun weiter denn je auf.

Albumgäste aus London, New York und München

Wesentlich an der Komposition und der Produktion beteiligt waren der Hang-Spieler Manu Delago und der Shenhai-Spieler Sanjeev Shankar, mit denen sich die 35-Jährige in ein Haus in der Toskana zurückzog. Dazu kam der Produzent und elektronische Klangkünstler Matt Robertson, bekannt durch seine Arbeiten mit Björk. In New York gab der Kontrabassist Larry Grenadier dem Album ein stellenweise jazziges Flavour. Die Ansammlung vieler Menschen verlautmalen zwei Chöre. Den Klang laufender Füße nahm Shankar mit dem Tänzer Akram Khan auf. Weitere Gäste auf “Land Of Gold” sind mit der Londoner Sängerin und Rapperin M.I.A. neben der US-amerikanischen Schauspielerin Vanessa Redgrave zwei engagierte Frauen. 
Im Interview bekundete die zierliche Musikerin, die mit persönlichen Botschaften und Bekenntnissen für Aufsehen sorgte, dass sie natürlich nicht erwarte, mit ihrem neuen Album an den Strippen des Weltgeschehens zu ziehen. Und doch: die emotionale Kraft ihrer Stücke gräbt sich tief beim Zuhörer ein und lässt ihn jenseits der Worte mitfühlen.

Das “Land Of Gold” sucht jeder

Anoushka Shankar weiß, wie sie auf der Länge eines Albums fesseln kann. “Land Of Gold” ist kein bisschen sentimental oder aggressiv, sondern überhöht das Schicksal der Porträtierten mit Spannung, Pathos, und immer wieder Innehalten. Es ist womöglich ihr dynamischstes Album. Zwischen dem vom Kontrabass getriebenen Krimi von “Last Chance” und dem großen Pop-Appeal des Titelstücks (mit der deutsch-türkischen Singer-Songwriterin Alev Lenz) tun sich Welten auf. Wunderschön zieht sich dabei das Zusammenspiel des Hangs mit der Sitar als meditativer roter Faden, als Rückhalt und Atemraum durch. Der letzte Albumtitel “Reunion” steuert in ein Happy End, voller Zuversicht und Aufbruchsstimmung. Shankar betonte, dass nach dem von ihr zitierten “Land Of Gold” jeder suche. Es muss nicht unbedingt ein anderes Land sein, vielleicht auch einfach “nur” der innere Frieden. Mit ihrem bewegenden, eingängigen neuen Album leistet sie humanitäre Hilfe. 

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