Adiam kommt als zweite von vier Töchtern in Uppsala, Schweden zur Welt. Ihre Eltern waren erst kurz vor Adiams Geburt vor dem Bürgerkrieg in Eritrea über Italien nach Schweden geflohen. Neben der Teilnahme am Kirchenchor ihrer Gemeinde von Kindesbeinen an, ist es vor allem die Plattensammlung ihres Vaters, die Adiams Liebe zur Musik weckt: Sam Cooke und Dean Martin, Dub und Roots Reggae von Lee ‘Scratch’ Perry oder Burning Spear und Disco-Klassiker von Donna Summer und Boney M. stehen direkt neben dem Folk-Rock Kanon von Simon & Garfunkel bis Bruce Springsteen. Als Teenager entdeckt sie durch den Wu-Tang Clan und Notorious B.I.G. den Hip Hop für sich.
Mit 16 Jahren verlässt Adiam Schule sowie Elternhaus und arbeitet wenig später als Rezeptionistin in Stockholms Cosmos Studio, das durch Aufnahmen von ABBA, Neneh Cherry, Beyoncé und Lady Gaga weltberühmt wurde. Hier unternimmt Adiam auch ihre ersten Schritte als Sängerin und Songwriterin für verschiedene Demoproduktionen, die schließlich zur Vertragsunterschrift bei Razzia Records führen. Gemeinsam mit Rapper/Produzent Thomas Rusiak entwirft Adiam ihre eigene Vorstellung von Rock’n'Roll unter ihrem vollen bürgerlichen Namen, Adiam Dymott. “Miss You”, die eingängige erste Single ihres Debütalbums, schafft es 2009 aus dem Stand in die schwedischen Top Ten. Kurz darauf unterschreibt Adiam bei Universal.
Trotz ihrer Verbindung zum Major arbeitet Adiam weiterhin kompromisslos an ihrer Musik, wirkt bei mehreren Projekten innerhalb der Stockholmer Hip Hop-Szene mit und kollaboriert mit unterschiedlichsten Künstlern weltweit. 2012, nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann, reiht sich Adiam, unterstützt von ihrem Label, in die lange Liste der internationalen Künstler ein, die Berlin zu ihrer Wahlheimat gemacht haben. Das kreative Klima der Hauptstadt und ihre Obsession für innovative Musik erlauben ihr keine Schnellschüsse – Adiam arbeitet an ihren Songs, bis sie endgültig mit dem Material zufrieden ist. Bei Aufnahmesessions in Los Angeles trifft Adiam auf Dave Sitek, den Kopf hinter dem revolutionären Sound von TV On The Radio. “Black Wedding”, das Ergebnis dieser folgenschweren Verbindung, ist ein kreativer Triumph, der explizite Pop-Momente mit experimenteller Elektronik, treibenden Club-Klängen und Avantgarde R&B zusammen bringt.
“Black Wedding” ist ein Schmelztiegel verschiedenster Faktoren: Ein fein gewebter, eklektischer Klangteppich trifft auf verschroben-detailliertes Songwriting, das getragen wird von Adiams einzigartiger Stimme. Das Resultat ist ein bemerkenswertes Album, eingängig, doch mit hohem künstlerischen Anspruch gefertigt. Hierzu verbinden Adiam und Dave Sitek ihre gemeinsame Liebe für innovative Sounds zu einem kompromisslosen Avantgarde Pop-Entwurf, in dem große Melodien und der allgegenwärtige Soul gleichberechtigt neben zukunftsweisender Elektronik stehen. Wie beiläufig erschafft “Black Wedding” sein ganz eigenes Genre, das sich vor allem durch einen unerschöpflichen Referenzkosmos und die konsequente Missachtung stilistischer Grenzen auszeichnet.
So bewegt sich das Album klanglich zwischen atmosphärisch-düsteren Flächen, basslastigem Dream Pop, surrealen Balladen, Breakbeats, die in Richtung Dancefloor schielen und der Leichtfüßigkeit der Sing-A-Long Girl Groups der 50er und 60er. The New Black Cool, wenn man so will. Abgründig und erhebend.
Seit ihrem Debütalbum hat sich Adiam zudem konstant weiterentwickelt und die ungeschliffenen Rock-Riffs mit Pop Appeal gegen komplexe Polyrhythmen und treibende Club-Arrangements eingetauscht. Doch es ist Adiams einzigartig authentischer Gesang, der, gleichermaßen hart und verletzlich, ihr musikalisches Frühwerk mit “Black Wedding” versöhnt.
In Adiams Persönlichkeit verschränken sich die Dunkelheit und stille Melancholie der langen Winter Skandinaviens mit dem kraftvollen, Jahrhunderte alten Erbe der abessinischen Kaiser und Kaiserinnen vom Horn von Afrika. In ihr treffen das ‘Nordic Noir’ und der stetige Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung der Habesha-Völker aufeinander. Dieser scheinbare Widerspruch führt zu einer kraftvollen Symbiose, die Verknüpfungen herstellt, wo vorher keine zu sein schienen.
Adiams Lieder mögen von den Konflikten und Tragödien des Lebens handeln, doch vorgetragen werden sie mit stoischer Coolness, abgeklärter Melancholie (“my feeling don’t want no facts”) und unverfälschtem Selbstbewusstsein (“cut you open and watch you bleed”). Ihre Texte sprechen ehrlich von Liebe und Hass, Verheißungen und Verlust, Glaube und Zweifel, Sieg und Niederlage. Sie feiern das Leben als freudvollen Kampf.
Ihre einzigartige Stimme evoziert dabei eine Bestimmtheit, die den leisen Zweifel komplexer und psychologisch tiefsitzender Emotionen nie zu kaschieren versucht. Stellenweise erscheint ihre Verletzlichkeit als ihre größte Stärke – man darf teilhaben am reichen Erfahrungsschatz einer Frau von tatsächlicher emotionaler Reife. Mitleid in jeder Form kann man sich hingegen sparen (“don’t bring sympathy, don’t bring none”), denn bei aller Tiefe verliert Adiam nie ihren Sinn für Wortspiele und harschen Humor (“love is on trial, just a juvenile, don’t need any evidence”). Ihre Stimme wirkt dabei wie ein Leuchtfeuer, das sich aus den dunklen Ecken ihrer Erinnerung speist, aber problemlos alles um sie herum mit Licht füllt.
Hierin liegt die wahre Brillanz von Adiams entwaffnender Ehrlichkeit (“you’re just a dream to be broken”). Sie ist aufrichtig und authentisch, furchtlos, wenn es darum geht, sich mit seinen eigenen Ängsten zu konfrontieren und bietet Hoffnung, wenn es hart auf hart kommt (“don’t be afraid of loosing, everything will come back to you”).
All das zeichnet Adiams Kämpfernatur aus: schlagkräftig, elegant, und gesegnet mit einem unbändigen Kämpferherz. Adiam lacht den Schwierigkeiten ins Gesicht und trägt ihre Narben mit Stolz, denn jede erzählt eine Geschichte. Die zahllosen Tätowierungen auf ihrem Körper spiegeln dabei nur diese Einstellung wider und verwandeln die Tattoos in nichts anderes als elegante Narben. Sicherlich, ein paar Kämpfe hat Adiam verloren – aber die Schlacht gewinnt sie, mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen.